Die US-Berichtssaison übertrifft auch meine Erwartungen, hohe Rohstoffpreise treiben die Kurse in Down Under, und die britischen Märkte bleiben nach den Schottland-Wahlen gelassen.
US-Margen zurück auf Rekordniveau
Die US-Berichtssaison befindet sich den letzten Zügen, doch steht bereits fest, dass die Unternehmensgewinne die Erwartungen der Analysten – und auch meine – deutlich übertreffen werden. Gegenüber dem Vorjahr konnten die Konzerne des S&P 500 ihre Gewinne im Schnitt um 50 Prozent steigern, die Umsätze stiegen um elf Prozent.
Besonders überraschend kletterten die Nettomargen zurück auf ihren Höchststand aus dem Jahr 2018 von rund 12,5 Prozent. Offenbar gelingt es den Unternehmen bisher, die steigenden Kosten für Rohstoffe und Vorprodukte an ihre Kunden weiterzugeben. Aufgrund der starken Konjunktur halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass dies vielen Branchen auch im weiteren Jahresverlauf gelingen kann. Bei der Dienstleistungsbranche habe ich jedoch noch Zweifel. Immer mehr Unternehmen klagen, keine qualifizierten Arbeitskräfte zu finden. Entsprechend dürften sie gezwungen sein, ihre Gehaltsangebote anzuheben, was weitere Margenausweitungen verhindern könnte. Daher bleiben Finanzen, Grundstoffe und Energie meine favorisierten Sektoren.
Interesse an Europa-Aktien wächst
Vor einigen Monaten habe ich Ihnen geschrieben, dass internationale Investoren europäische Aktien in ihren Portfolios weiter untergewichten. Zuletzt gab es jedoch Anzeichen dafür, dass das Interesse gestiegen ist. Betrachtet man Futures auf den EURO STOXX 50 in den letzten Wochen, zeigt sich, dass die Kurse während der Handelszeiten in New York und Tokio stark zulegten, während sie in der Londoner Handelszeit eher zurückgingen. Die gute Kursentwicklung, günstige Bewertung und zyklische Ausrichtung europäischer Titel scheint immer mehr Investoren davon zu überzeugen, dass ihre Underperformance nach über zehn Jahren beendet ist. Entsprechend könnten die Mittelzuflüsse aus dem außereuropäischen Ausland in den kommenden Wochen zulegen. Dies würde die Kurse hierzulande strukturell stützen.
Australiens Aktienmarkt vor neuen Höhen
Die spektakuläre Rally der Rohstoffpreise strebte zu Wochenbeginn einem neuen Höhepunkt entgegen, als die Eisenerzpreise innerhalb von Minuten um zehn Prozent aufwärts sprangen und das neue Rekordhoch von 226 US-Dollar je Tonne erreichten. Seit Jahresbeginn hat sich Eisenerz somit um 40 Prozent verteuert. Unmittelbare Profiteure der hohen Preise sind in erster Linie die Minengesellschaften. Die beiden größten Eisenerzförderer in Down Under haben Förderkosten von weniger als 15 US-Dollar je Tonne, weshalb die Gewinnmargen auf dem aktuellen Niveau mehr als auskömmlich sind. Neben dem Rohstoffsektor, der ungefähr 20 Prozent der Marktkapitalisierung des australischen Leitindex S&P/ASX 200 ausmacht, zieht momentan auch der Finanzsektor mit einem Anteil von 30 Prozent die Notierungen nach oben. Banken profitieren von dem verglichen mit Jahresbeginn deutlich höheren Marktzinsniveau. Sollte die Rally der Metalle anhalten und der Handelskonflikt mit China nicht weiter eskalieren, ist zu erwarten, dass der S&P/ASX 200 sein bis dato knapp verfehltes Allzeithoch vom Februar 2020 bald nachhaltig überspringen dürfte.
Schottland-Wahlen: Ausblick für britische Aktien positiv
Zwar hat die Scottish National Party (SNP) mit 64 von insgesamt 129 Sitzen die absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen knapp verfehlt; dennoch dürfte ein Referendum zur Unabhängigkeit damit nicht vom Tisch sein. Denn zusammen mit den acht Sitzen der Grünen gibt es im Parlament künftig eine klare Mehrheit von Befürwortern einer Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich. Ein möglicher Vorstoß für ein Referendum dürfte noch etwas auf sich warten lassen, auch weil die Bekämpfung der Pandemie politisch noch im Vordergrund steht. Die Märkte scheinen das auch so zu sehen – das Pfund wertete gegenüber dem Euro zu Wochenbeginn knapp ein Prozent auf. Ohnehin dürfte ein Austrittsvotum ohne Zustimmung der britischen Regierung rechtlich kaum bindend sein. Dennoch könnte die Diskussion um ein Referendum immer wieder für Nervosität an den Märkten sorgen. Ich bleibe jedoch für den britischen Aktienmarkt positiv gestimmt: Günstige Fundamentaldaten wie eine starke Konjunkturerholung und eine relativ moderate Bewertung dürften bei der Kursentwicklung den Ausschlag geben.
