Die Rally der Erdgaspreise setzt sich fort, die realen Anleiherenditen dürften noch länger negativ bleiben, und Vietnam leidet unter Produktionsausfällen.

Erdgaspreise nicht zu bremsen

Die Erdgaspreise haben sich zu Beginn dieser Woche weiter dramatisch verteuert. Die Terminkontrakte für europäische Erdgas-Futures stiegen am Dienstag um rund 20 Prozent, der Preis hat sich seit Jahresbeginn versechsfacht. Der US-Erdgas-Future legt nicht ganz so spektakulär zu, handelt aber auf dem höchsten Niveau seit Dezember 2008. Sollte sich das hohe Preisniveau verstetigen, gäbe es ökonomisch betrachtet viele Verlierer und wenige Gewinner. Der Handelsbilanzüberschuss der Eurozone könnte aufgrund des Wertzuwachses der hohen Erdgasimporte komplett eliminiert werden. Auch an den asiatischen Märkten beschleunigt sich die Preisrally momentan, worunter besonders die Volkswirtschaften Japans, Taiwans und Koreas leiden dürften. Dort sowie in der Eurozone, in Polen und der Türkei wären die negativen Einflüsse auf das Wirtschaftswachstum und der zusätzliche Inflationsdruck am stärksten bemerkbar. Von den hohen Preisen profitieren dagegen vor allem die Produzentenländer Norwegen, Russland, Australien und Katar. Eine Fortsetzung des Preisanstiegs könnte die globale Konjunkturerholung zumindest verlangsamen und damit die Aktienmärkte belasten.

Bundesanleihen: reale Verzinsung auf Rekordtief

Seit Mitte August ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um mehr als 0,3 Prozentpunkte gestiegen. Das liegt vor allem an höheren Inflationserwartungen, die in den Anleihekursen eingepreist sind. Danach antizipieren die Märkte auf Sicht von zehn Jahren eine jährliche Inflation von 1,8 Prozent – das ist immerhin der höchste Wert seit 2013. Trotzdem werden Anleihen angesichts der hohen Inflationsraten für Anleger immer uninteressanter. Denn unter Berücksichtigung der aktuellen Preissteigerungsrate rentierten deutsche Bundesanleihen noch nie so niedrig wie heute. Auch im Durchschnitt der Euroländer liegt die sogenannte reale Rendite von Staatsanleihen mit minus 1,73 Prozent nahe am historischen Tiefstand. Zwar erwarte ich wegen des immer noch guten Konjunkturumfelds und einer Reduzierung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank einen weiteren Anstieg der laufenden Verzinsung. Der Weg zu einer positiven realen Rendite ist allerdings weit. Ich halte Realwerte wie Aktien unter Renditegesichtspunkten daher weiterhin für interessanter als festverzinsliche Anleihen.

Vietnam: Pandemie belastet Weihnachtsgeschäft

Schätzungen zufolge schrumpfte Vietnams Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2021 um 6,2 Prozent gegenüber 2020 – der stärkste Quartalsrückgang seit Beginn der Aufzeichnungen. Seit April 2021 stark gestiegene Infektionszahlen hatten die Regierung zu strikten Lockdowns veranlasst, die auch wichtige Produktionsstandorte nicht verschonten. Im laufenden Jahr mussten infolgedessen 90.000 Betriebe ihre Produktion zumindest teilweise einstellen. Davon betroffen sind auch internationale Marken der Elektronik-, Bekleidungs- und Sportschuhindustrie, die zum Teil bis zu 50 Prozent ihrer Produktion nach Vietnam verlagert haben. Die Produktionsausfälle schmerzen besonders, da sie das traditionell starke Weihnachtsgeschäft belasten. Denn damit die Produkte „made in Vietnam“ rechtzeitig auf den Gabentellern in Europa oder den USA liegen, müssten sie noch im Oktober verschifft werden. Entsprechend korrigierten die Aktienkurse betroffener Hersteller seit August teilweise um zehn Prozent. Die zu erwartenden Lieferengpässe der umsatztreibenden Markenprodukte dürften aber auch den Groß- und Einzelhandel schmerzen. Zunächst keine guten Aussichten – weder für Hersteller noch für Händler.

US-Gesundheitsaktien: auf die Branche achten

Über die letzten zwölf Monate lag die durchschnittliche Performance der US-Gesundheitsunternehmen im S&P 500 knapp zehn Prozentpunkte über der ihrer europäischen Pendants im STOXX 600. Dies dürfte auf die unterschiedliche Beschaffenheit der beiden Sektoren zurückzuführen sein.
Gesundheitskonzerne machen in beiden Indizes rund 13 Prozent der Marktkapitalisierung aus. Doch fallen Pharmakonzerne im S&P 500 mit rund 40 Prozent Sektoranteil weniger ins Gewicht als im europäischen Markt. Dafür ist in den USA der Anteil an Herstellern medizinischer Geräte und Ausrüstung sowie an Gesundheitsdienstleistern mehr als doppelt so hoch – beides Branchen, die im Vergleich zu Pharma gut mit dem Markt Schritt halten konnten. In Anbetracht einer möglichen Regulierung der US-Arzneimittelpreise in den kommenden Wochen könnten diese Branchen eine Möglichkeit darstellen, das Risiko fallender Arzneimittelpreise zu kompensieren und vom strukturellen Trend der alternden Gesellschaft zu profitieren. Während die Gerätehersteller mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 29 auf Basis der Gewinne der kommenden zwölf Monate eher risikofreudige Anleger ansprechen könnten, dürften die Gesundheitsdienstleister bei einem KGV von etwa 17 auch bei risikoaverseren Investoren Anklang finden.