PEPP vor dem Aus, globale Aktien im Plus, Lateinamerika im Gewinntief

 

die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, ihr Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP im März 2022 zu beenden. Stattdessen wird sie ihre Ankäufe im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) von April bis September 2022 vorübergehend erhöhen und anschließend bis auf weiteres bei 20 Milliarden Euro pro Monat halten. Zinserhöhungen hält die EZB 2022 für höchst unwahrscheinlich, da sie die Inflation mittelfristig wieder unter zwei Prozent erwartet.

Aktienjahr 2021 – Bilanz und Ausblick

Aktieninvestoren konnten sich 2021 über eine überdurchschnittliche Rendite freuen. Der MSCI All Countries World Index hat in Euro bisher 27 Prozent zugelegt. Verantwortlich für die Hausse ist vorrangig die überraschend schnelle Erholung der Unternehmensgewinne. In diesem Jahr sollten die Konzerne weltweit gut 50 Prozent mehr verdient haben als 2020 – Analysten hatten zum Jahresstart nur mit rund 25 Prozent gerechnet. Regional lagen Investoren erneut mit US-Aktien richtig.
Der S&P 500 hat bisher 36 Prozent zugelegt und den europäischen STOXX 600 um 13 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Schwellenländeraktien bilden hingegen wegen der Schwäche chinesischer Börsen das Schlusslicht. Der Hongkonger HSCEI steht aktuell mehr als 16 Prozent im Minus. Im kommenden Jahr könnte es sich lohnen, auf die Nachzügler zu setzen. Europäische Aktien werden im Vergleich zu US-Titeln mittlerweile so günstig gehandelt wie nie in den vergangenen 20 Jahren und haben sich in Zeiten steigender Kapitalmarktzinsen häufig überdurchschnittlich gut entwickelt. Chinesische Aktien könnten sich indes erholen, sollte die Regierung ihre Regulierungsmaßnahmen etwas lockern, um keine signifikante Abkühlung der Konjunktur zu riskieren.

Notenbanken: Tag der Entscheidungen

Insgesamt sechs Notenbankentscheidungen in Europa hielten die Marktbeobachter gestern auf Trab. Die Streuung der Ergebnisse war breit. Im „Team Zinserhöhung“ befanden sich erwartungsgemäß die norwegische Notenbank, die den Leitzins auf 0,50 Prozent anhob und einen weiteren Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte für den März avisierte. Die ungarischen Währungshüter hoben den einwöchigen Einlagenzinssatz an, von 3,30 auf 3,60 Prozent. Die andere Seite des Spektrums nahm die türkische Notenbank ein, die trotz der nahezu täglich auf Rekordtiefs fallenden Türkischen Lira den Leitzins erneut senkte, diesmal von 15,00 auf 14,00 Prozent. Die Türkische Lira verlor daraufhin in einer ersten Reaktion rund drei Prozent. Während sowohl von der EZB als auch von der Schweizer Nationalbank kein Marktbeobachter weltweit für deren gestrige Sitzungen einen Zinsschritt erwartet hatte, waren die Prognosen für die Bank of England gespalten. Mit einer deutlichen Mehrheit von acht zu eins entschlossen sich die Währungshüter, den Leitzins von 0,10 auf 0,25 Prozent anzuheben. Dass viele Marktteilnehmer davon überrascht wurden, zeigt der deutliche Anstieg des Pfund Sterling und der Renditen zweijähriger Staatsanleihen unmittelbar nach dem Zinsentscheid. Notenbankentscheidungen dürften auch 2022 großen Einfluss auf die Bewegungen an den Zins- und Währungsmärkten haben. Anhaltender Inflationsdruck dürfte weitere Notenbanken dazu veranlassen, die Zinswende in Angriff zu nehmen. Deshalb sollten Anleiherenditen steigen, was mit Kursverlusten verbunden ist. Währungen, deren Notenbanken beherzt in den Zinserhöhungszyklus einsteigen, könnten tendenziell aufwerten.

Chip-Anlagenbauer: Aussichten bleiben gut

Die Hersteller von Chip-Fertigungsausrüstung ließen mit einer Performance von gut 50 Prozent den breiten Halbleiterindex SOX – dessen Plus bei 38 Prozent liegt – in diesem Jahr hinter sich. Das Ende der Fahnenstange scheint damit aber noch nicht erreicht. Für das kommende Jahr sollen die führenden Halbleiterproduzenten dank eines robusten Nachfragewachstums von zehn Prozent und wegen des technologischen Fortschritts hin zu kleineren Chips Investitionen in Höhe von 160 Milliarden US-Dollar vorgesehen haben. Der Aufbau neuer Fertigungsstätten in den USA und in Europa dürfte ebenfalls zu den Ausgaben beitragen, von denen etwa 60 Prozent auf die Ausrüster entfallen sollen. Damit könnte der globale Markt für Produktionsequipment im kommenden Jahr um 13 Prozent von 85 auf 96 Milliarden US-Dollar zulegen. Da die Margen in etwa auf dem diesjährigen Niveau erwartet werden, rechnen Analysten für die US-Konzerne der Branche mit einem durchschnittlichen Gewinnwachstum von 14 Prozent. Obwohl die Aktien der amerikanischen Ausrüster mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19,3 im Vergleich zum Mittel der vergangenen fünf Jahre – das bei 15,4 liegt – nicht günstig bewertet sind, könnte sich ein Investment in Anbetracht der anhaltend guten Geschäftsaussichten lohnen.

Lateinamerika-Aktien nicht favorisiert

Die Wirtschaftsleistung der Schwellenländer Lateinamerikas hat im dritten Quartal um durchschnittlich 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt. Während Kolumbien, Chile und Argentinien mit im Schnitt plus fünf Prozent wuchsen, mussten die ökonomischen Schwergewichte der Region – Brasilien und Mexiko – sogar einen leichten Rückgang hinnehmen. Hohe Inflationsraten von sechs Prozent und teilweise deutlich mehr haben die großen Zentralbanken Lateinamerikas veranlasst, bereits im laufenden Jahr die Leitzinsen mehrfach anzuheben. Auch für 2022 rechne ich mit weiteren Zinsschritten, was das Kreditwachstum und die Unternehmensinvestitionen insgesamt dämpfen sollte. Sich abschwächende Effekte auslaufender staatlicher Transferzahlungen dürften zudem die private Nachfrage in den kommenden Monaten belasten. Insgesamt keine guten Aussichten für die Unternehmen der Region, für die 2022 ein Gewinnrückgang von knapp zehn Prozent erwartet wird. Zudem halten anstehende Wahlen – in Chile bereits am Sonntag, in Brasilien und in Kolumbien im kommenden Jahr – die politische Unsicherheit weiterhin hoch. Auch deshalb stehen lateinamerikanische Aktien nicht auf meiner Favoritenliste für 2022.