Die Industrieproduktion in Deutschland steigt im Oktober, das Ziel der Ampel-Koalition von 400.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr bleibt eine Herausforderung, und die US-Erdgaspreise geben nach.
Materialknappheit belastet Deutschlands Industrie
Im Oktober ist die Industrieproduktion in Deutschland preis- und saisonbereinigt um 2,8 Prozent zum Vormonat gestiegen. Von einer echten Erholung kann jedoch keine Rede sein. Zu schwer belasten die anhaltenden Lieferengpässe die Unternehmen des produzierenden Gewerbes, deren aktuelle Produktion rund zehn Prozent unter dem Niveau liegt, das angesichts der Auftragseingänge zu erwarten wäre. Besonders eklatant fällt die Diskrepanz mit rund 40 Prozent bei Deutschlands Autobaukonzernen aus. Aber auch Maschinen- sowie Elektrotechnikproduktion sind überdurchschnittlich stark betroffen. Die Materialknappheit wiegt besonders schwer, weil gleichzeitig neuerliche und sich möglicherweise noch verschärfende Kontaktbeschränkungen auch den Dienstleistungssektor belasten. Ein insgesamt spürbar schwächeres oder sogar stagnierendes Wirtschaftswachstum im aktuellen und im ersten Quartal 2022 halte ich daher für möglich. Sollten sich ab dem zweiten Quartal die Lieferketten normalisieren und die Infektionslage insgesamt entspannen, dann dürfte auch die deutsche Industrie mit nach wie vor vollen Auftragsbüchern die zu erwartende Erholung der deutschen Wirtschaft vorantreiben. Mit Blick auf den DAX bleibe ich bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,4 auf Basis der für 2022 erwarteten Gewinne daher weiterhin optimistisch.
Deutschland: Wohnungen bleiben knapp
Obwohl in Deutschland 2020 mit gut 306.000 so viele Wohnungen fertiggestellt wurden wie seit 20 Jahren nicht mehr, bleibt das Ziel der Ampel-Koalition von 400.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr eine Herausforderung. Zwar schafft die geplante Erhöhung der Abschreibung für neue Mietobjekte mehr Anreize für private Investitionen. Gleichzeitig könnte die geplante Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse den Enthusiasmus der Anleger aber dämpfen. Ohnehin ist eine nennenswerte Ausweitung der Bauaktivitäten auf kurze Sicht kaum möglich. Der Bauüberhang ist riesig – zuletzt lag die Zahl der genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen bei 800.000. Arbeitskräfte und Baumaterial sind knapp, die Hälfte der Unternehmen ist von Lieferverzögerungen betroffen. Setzt sich der Wachstumstrend der vergangenen Jahre bei den Fertigstellungen fort, dürfte das Neubauziel der Ampel-Koalition frühestens im Jahr 2025 erreicht werden. Ich rechne daher mit einem anhaltenden Angebotsdefizit. Die Wohnungspreise dürften an vielen Standorten weiter anziehen, zumal die Finanzierungsbedingungen weiterhin günstig bleiben.
Erdgas wird billiger – in den USA
Die Erdgaspreise in den USA waren am 6. Oktober auf ein Zwölf-Jahres-Hoch bei rund 6,45 US-Dollar je eine Million British Thermal Units (BTU) geklettert und gaben seither um mehr als 40 Prozent nach. Am Montag dieser Woche fielen sie um elf Prozent auf ein Fünf-Monats-Tief bei 3,6 US-Dollar je eine Million BTU. Verantwortlich hierfür waren zum einen Wetterprognosen für die USA, die bis Weihnachten Temperaturen weit über Normalniveau für diese Jahreszeit vorhersagten. Zum anderen wurden die Lager aufgestockt, sodass sie nunmehr um nur noch zwei Prozent geringer als im langjährigen Durchschnitt befüllt sind, verglichen mit sechs Prozent Anfang Oktober. Im Gegensatz dazu stiegen die Preise für den aktuellen Erdgas-Terminkontrakt in den Niederlanden von 60 Euro pro Megawattstunde Anfang November auf nunmehr 95 Euro pro Megawattstunde. Hier spielen die kälteren Temperaturen und weiterhin geringen Lagerbestände ebenso eine Rolle wie die geopolitischen Spannungen in der Ost-Ukraine. Auf kurze Sicht könnten die Erdgaspreise in Europa deshalb weiterhin auf hohem Niveau verbleiben.
Japan: Cash-Bestände könnten den Aktienmarkt befeuern
Schon seit längerem kommt der japanische Aktienmarkt nur schwer in die Gänge. Abhilfe könnte ein Anziehen der Inflation bei einer weiteren Erholung der Wirtschaft im kommenden Jahr schaffen.
Japanische Haushalte halten nämlich 8,5 Billionen Euro – knapp das Zweifache des Bruttoinlandsproduktes – in Barmitteln oder als Einlage auf dem Konto. Bei etwa 50 Prozent der Unternehmen übersteigen die liquiden Mittel die zinstragenden Schulden. Analysen zufolge sind positive Netto-Cash-Bestände bei japanischen Unternehmen rund dreimal so häufig wie in den USA oder in Europa. Eine moderate Inflation könnte die aktuell um null Prozent tendierenden japanischen Realzinsen ins Negative drücken und Haushalte sowie Unternehmen dazu bewegen, Barmittel hin zu risikoreicheren Anlagen umzuschichten. Da die japanische Zentralbank die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe mithilfe uneingeschränkter Käufe bei null Prozent verankert hat, dürften zunehmende Renditen die Inflation nicht ausgleichen. Mit fortschreitender wirtschaftlicher Erholung sowie steigenden Energie- und Produzentenpreisen könnte beschriebenes Szenario zunehmend an Eintrittswahrscheinlichkeit gewinnen und japanischen Aktien Rückenwind verleihen.
