Das Wachstumspotenzial Deutschlands könnte zurückgehen, das US-Finanzministerium wirft verschiedenen Ländern „unfaire Währungspraktiken“ vor, und US-Einzelhandelsunternehmen fallen hinter dem Gesamtmarkt zurück.

Deutschland: Demografie belastet das Wachstum

In den kommenden Jahren werden viele „Babyboomer“ in Rente gehen und das Arbeitskräfteangebot wird sinken, weshalb auch das Wachstumspotenzial in Deutschland zurückgehen könnte. Bis 2030 übersteigt die Zahl der Neurentner die der Berufsanfänger um knapp fünf Millionen. Nur ein Teil davon dürfte durch Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte aufgefangen werden. Das Wachstumspotenzial könnte dementsprechend von aktuell 1,2 auf 0,7 Prozent pro Jahr 2025 abnehmen. Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung die Weichen richtig stellt. Die von einer möglichen „Ampel“-Koalition geplante Entbürokratisierung der Verwaltung und der Ausbau der digitalen Infrastruktur würden den Investitionsstandort Deutschland stärken. Investitionen, beispielsweise in neue Maschinen, tragen zu einer höheren Produktivität bei und wirken dem demografisch bedingten Rückgang des Wachstumspotenzials entgegen. Ich bin daher optimistisch, dass in Deutschland auch auf längere Sicht noch ordentliche Wachstumsraten erreicht werden können. Hiervon würde nicht nur der heimische Aktienmarkt profitieren, schließlich stellt die deutsche Volkswirtschaft ein wichtiges Zugpferd für andere europäische Länder dar.

Neue US-Länderliste „unfairer Währungspraktiken“ erwartet

Zweimal im Jahr veröffentlicht das US-Finanzministerium eine Liste mit Ländern, denen es „unfaire Praktiken an den Währungsmärkten“ vorwirft.
Für eine Aufnahme in dieser Liste müssen folgende Kriterien erfüllt werden:
1.) ein bilateraler Überschuss im Handel mit den USA in Höhe von mehr als 20 Milliarden US-Dollar
2.) ein Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
3.) anhaltende, einseitige Interventionen an den Währungsmärkten
Für das Jahr 2020 sah das US-Finanzministerium diese Kriterien bei der Schweiz, bei Vietnam und bei Taiwan als erfüllt an; 2021 könnte Malaysia folgen. Findet sich ein Land auf der Liste wieder, bleiben dessen Regierung zwölf Monate Zeit, mit den USA bilaterale Gespräche über die Vorwürfe unfairer Praktiken zu führen. Danach könnten die USA Zölle auf Güter der betreffenden Staaten verhängen. Nachdem sich Vietnam gegenüber den USA verpflichtet hatte, keine Interventionen zu Lasten der Heimatwährung mehr zu tätigen, wertete der Vietnamesische Đồng auf. Sollte die Schweiz robust mit ähnlichen Forderungen konfrontiert werden, bestünde das Risiko einer unerwünschten, starken Aufwertung des Schweizer Franken.

US-Einzelhandel strauchelt:

Die Aktien der im S&P 500 gelisteten US-Einzelhandelsunternehmen – zu denen neben nationalen Warenhausketten und Möbelhäusern unter anderem große Onlinehandelsplattformen zählen – bleiben seit Juli zehn Prozentpunkte hinter dem Gesamtmarkt zurück.
Dies dürfte auch der gestiegenen Nachfrage nach Dienstleistungen geschuldet sein, die die Nachfrage nach Konsumgütern im Zuge gelockerter Kontaktbeschränkungen teilweise verdrängt hat. Zusätzlich sorgen die verstopften Containerhäfen weltweit mit immer längeren Verladezeiten für ein knapperes Warenangebot aus Fernost und könnten bereits im dritten Quartal Umsätze und Gewinne der Branche belastet haben. Mittlerweile dauert das Löschen eines Containerschiffes beispielsweise im Hafen von Los Angeles mit 6,4 Tagen vor allem mangels Hafenarbeitern und Lkw-Fahrern fast doppelt so lange wie vor der Coronavirus-Pandemie. Aus Sorge, der Containerstau könnte zu leeren Regalen im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft führen, schaltete sich vergangene Woche das Weiße Haus ein. Mittlerweile wird nun in 24-Stunden-Schichten an sieben Tagen in der Woche verladen. Die Einzelhandelsbranche ist mit einem für 2022 und 2023 erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 zwar günstiger bewertet als der breite US-Markt mit rund 19. Von einem kurzfristigen Einstieg rate ich jedoch ab, bis sich eine Normalisierung der Lieferketten im Laufe des kommenden Jahres abzeichnet.

Russland vermeldet Rekordüberschuss

Russland verzeichnete zwischen Juli und September mit fast 41 Milliarden US-Dollar den bisher höchsten Leistungsbilanzüberschuss in einem Quartal. Dank der boomenden Rohstoffmärkte könnte das Plus in diesem Jahr mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen. Neben dem Außenhandel sind die Zinserhöhungen der Notenbank ein wesentlicher Treiber der aktuellen Stärke des Russischen Rubels. Die Währungshüter dürften den Leitzins angesichts einer Inflationsrate von zuletzt 7,4 Prozent auf ihrer Sitzung am Freitag weiter anheben. Denn die Nachfrage nach den russischen Hauptexportgütern Erdgas und Rohöl wird durch den Wechselkurs des Russischen Rubels kaum beeinflusst, da langfristige Lieferverträge bestehen und die meisten Rohstoffe ohnehin in US-Dollar gehandelt werden. Selbst eine mögliche weitere Aufwertung des Russischen Rubels dürfte daher weder die Exporte noch die Konjunktur ausbremsen. Für Anleger mit entsprechender Risikobereitschaft könnte die geldpolitische Straffung Chancen eröffnen: Staatsanleihen aus Russland werfen mit durchschnittlich 7,5 Prozent eine weit höhere Rendite ab als die Papiere anderer Länder.