Der US-Dollar könnte kurzfristig weiter aufwerten, Japans designierter Regierungschef Fumio Kishida wird zunächst wohl auf „Abenomics“ setzen, und Unternehmen sollten die steigenden Energiekosten durch höhere Preise ausgleichen können.
Euro auf Zehn-Monats-Tief zum Dollar
Lange wurde der Euro zum US-Dollar in einer Handelsspanne von 1,17 bis 1,20 gehandelt, gestern fiel er jedoch auf das tiefste Niveau seit dem 3. November 2020. Bereits nach den Sitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed hatte der Euro kürzlich moderat nachgegeben. Während die Fed nämlich auf eine geldpolitische Wende zusteuert, zeigt die EZB hierzu bisher wenig Neigung. Die Erwartung einer baldigen Reduzierung der Anleihekäufe und erster Leitzinserhöhungen Ende 2022 oder Anfang 2023 lässt den US-Dollar steigen, während der Euro an Boden verliert. In der Eurozone sind auf längere Sicht keine signifikanten Zinserhöhungen zu erwarten, die Inflationserwartungen steigen jedoch aktuell an, weshalb die Realzinsen deutlich fallen. Zudem ziehen ausländische Investoren weiterhin Gelder aus den Anleihemärkten der Eurozone ab, und der Greenback profitiert von seinem Status als vermeintlich sicherer Hafen. Auf kurze Sicht spricht somit einiges für weiteres Aufwertungspotenzial des US-Dollars. Auf Sicht von zwölf Monaten rechne ich allerdings wegen der Einengung der Wachstumsdifferenzen zwischen den beiden Währungsräumen, der Rückführung des Anleihekaufprogramms auch in der Eurozone und möglicher Unsicherheit im Umfeld der Zwischenwahlen in den USA wieder mit einem schwächeren US-Dollar.
Nach Wahl von Kishida: Japan-Aktien günstig
Gestern stimmte die in Japan regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) über den Nachfolger des scheidenden Premierministers Yoshihide Suga ab. Parallel dazu büßte der Aktienindex TOPIX rund 2,1 Prozent ein. Ich denke, dass der Rücksetzer nicht mit der bevorstehenden Ernennung von Fumio Kishida zum Regierungschef zusammenhängt, sondern auf gestiegene Anleiherenditen und den weltweit rückläufigen Risikoappetit zurückzuführen ist. Kishida dürfte bei den anstehenden Repräsentantenhauswahlen im November die Mehrheit der LDP verteidigen und die als „Abenomics“ bekannte expansive Fiskal- und Geldpolitik erst einmal fortsetzen. Ein weiterer geplanter staatlicher Stimulus, die angestrebte Reduktion der Vermögens- und Einkommensungleichheit sowie die Förderung der Digitalisierung könnten Aktien aus dem Einzelhandel sowie dem Gesundheits- und IT-Sektor zugutekommen und dem TOPIX Rückenwind verleihen. Mit einem KGV von 15 auf Basis der erwarteten Gewinne der kommenden zwölf Monate halte ich den TOPIX nach wie vor für günstig bewertet.
Gesundheitssektor: Abwarten ist Trumpf
Im Laufe der vergangenen zwölf Monate lag die Performance europäischer Gesundheitskonzerne rund 17 Prozentpunkte unter der des STOXX 600. Zurückzuführen ist das auf den defensiven Charakter der Branche. Diese verspricht in Zeiten der Hochkonjunktur zwar nicht das höchste Gewinnwachstum, aber ein über den Boom hinaus beständiges. Damit könnte bei einer weiteren Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums die Stunde der Gesundheitskonzerne schlagen, zumal deren Gewinne in den Jahren 2022 und 2023 überdurchschnittlich um jeweils elf Prozent wachsen sollen.
Aktuell halte ich einen Schwenk von Zyklikern hin zum defensiven Gesundheitssektor aber für verfrüht. Denn im Umfeld anziehender Renditen neigen Pharmakonzerne, die knapp 80 Prozent der Marktkapitalisierung des europäischen Gesundheitssektors ausmachen, dazu, schlechter als der breite Markt abzuschneiden. Zusätzlich birgt die hohe Abhängigkeit vom US-Arzneimittelmarkt wegen einer möglichen Regulierung der Medikamentenpreise in den kommenden Wochen die Gefahr von Rücksetzern. Entsprechend rate ich Anlegern aktuell nicht zum Aufstocken der Positionen.
Teure Energie belastet Erträge nicht
Angesichts des sprunghaften Anstiegs der Öl- und Erdgaspreise sehen sich viele Unternehmen mit steigenden Energie- und Rohstoffkosten konfrontiert. Immerhin können sich allein die Energieaufwendungen bei europäischen Unternehmen je nach Branche auf bis zu einem Viertel aller Ausgaben belaufen. Um einen Rückgang der Margen mache ich mir deshalb aber grundsätzlich keine Sorgen. Schon bei vergangenen Konjunkturaufschwüngen waren die Unternehmen meist in der Lage, ihre Gewinne trotz steigender Kosten auszuweiten. Dies dürfte auch in der aktuellen Situation gelten. Dank schnell steigender Einkommen und außerordentlich hoher Ersparnisse verfügen die Privathaushalte über eine starke Kaufkraft, weshalb die Unternehmen die wachsenden Kosten durch Preiserhöhungen bei ihren Produkten ausgleichen können. Eine Kürzung der für europäische und US-amerikanische Unternehmen insgesamt prognostizierten Gewinnzuwächse wegen der höheren Energie- und Rohstoffkosten erwarte ich daher nicht.
