Nachrichten aus den USA und China könnten deutsche Aktien vorübergehend belasten, viele Industrieländer bereiten eine Zinswende vor, und die US-Rohölreserven sinken auf ein Drei-Jahres-Tief.

DAX: mögliche Rücksetzer nutzen

Der kürzlich veröffentlichte Einkaufsmanagerindex Europas fiel mit 56,1 schlechter aus als erwartet, bescheinigt aber weiterhin eine prosperierende Wirtschaft. Diese wird belastet durch Lieferengpässe, Inflation und die Pandemie. Zusätzliche auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hindeutende Anzeichen aus den USA und China dürften zur Seitwärtsbewegung des DAX im dritten Quartal beigetragen haben. Beinahe ein Viertel aller Umsätze erzielen die Unternehmen des Vorgänger-Index DAX 30 jeweils in den USA und im europäischen Umland, weitere zehn Prozent werden in China beigesteuert. Entsprechend dürfte der Rücksetzer von gut drei Prozent zum Anfang der vergangenen Woche auf die Schuldenproblematik chinesischer Unternehmen zurückzuführen sein. Wenngleich die unverzügliche Erholung des DAX ohne solide globale Wachstumsaussichten kaum möglich gewesen wäre, bergen die Diskussionen um die US-Schuldenobergrenze sowie die Gefahr einer sich weiter eintrübenden chinesischen Konjunktur Rückschlagpotenzial. Bei einem KGV von 15 auf Basis der erwarteten Gewinne der kommenden zwölf Monate würde ein erneuter Rücksetzer des DAX gute Einstiegsmöglichkeiten bieten, um vom fortlaufenden weltweiten Aufschwung zu profitieren.
 
Schon rund ein Dutzend Schwellenländer hat in diesem Jahr die Leitzinsen erhöht. Als erstes Industrieland hat nun auch Norwegen die Zinswende eingeleitet. Andere entwickelte Volkswirtschaften werden dem norwegischen Beispiel zwar nicht so schnell folgen, schaffen aber die Voraussetzungen für eine Anhebung der Leitzinsen. Die neuseeländische Zentralbank hat ihre Anleihekäufe beendet, im Vereinigten Königreich und in Schweden dürften sie in Kürze auslaufen. Auch in Kanada, Australien und dem Euroraum haben die Notenbanken entschieden, weniger Bonds zu erwerben. Die US-Notenbank hat eine baldige Entscheidung zur Reduzierung ihrer Anleihekäufe angekündigt. Mit dem absehbaren Ende der Ankaufprogramme ist der Weg für Zinserhöhungen in weiteren Industrieländern im kommenden Jahr frei. Der Wind am Anleihemarkt wird rauer, gestern hat die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen das erste Mal seit Juni wieder zeitweise die Marke von 1,5 Prozent überschritten. Chancen am Aktienmarkt sehe ich bei einem steigenden Zinsniveau vor allem für Finanzwerte und andere zyklische Sektoren wie Industrie, Energie und Grundstoffe.

Rohölpreis: Gipfel wohl noch nicht erreicht

Vor gut einem Monat sank der Preis für ein Barrel Erdöl der Sorte Brent auf 65 US-Dollar, um danach den höchsten Wert seit 2018 zu erklimmen. Selbst Chinas erster offizieller Verkauf strategischer Petroleumreserven konnte dieser Rally nicht entgegenwirken. Die letztlich abgesetzte Menge war ein Tropfen auf dem heißen Stein: Sie fiel geringer aus als Chinas tägliche Importe von durchschnittlich 3,1 Millionen Barrel während der ersten acht Monate des Jahres. Zusätzlich sind die Reserven des größten Ölkonsumenten USA nach zwei Hurrikans auf das niedrigste Niveau seit drei Jahren gesunken. Analysten schätzen, dass Förderkapazitäten von rund 0,3 Millionen Barrel pro Tag an der US-Golfküste noch nicht hochgefahren sind. Auch die weltweit hohen Erdgaspreise dürften die Nachfrage nach Energieträgern zugunsten des schwarzen Goldes verschieben und preissteigernd wirken. Zwar könnten die USA schon bald ihre Förderkapazitäten wiederhergestellt haben und China weitere Verkäufe aus den strategischen Reserven tätigen – ohne das Zutun der OPEC+ in Form von höheren Produktionsmengen erwarte ich jedoch, dass angesichts des nahenden Winters der Gipfel beim Ölpreis noch vor uns liegt.

Zinn: Preisrally könnte anhalten

Unter den sechs Industriemetallen, die an der Londoner Metallbörse gehandelt werden, stiegen zwar auch die Kupfer- und Aluminiumpreise 2021 deutlich an; die Krone gebührt aber den Zinnpreisen, die seit Jahresbeginn rund 80 Prozent zulegten. Auch hier spielen logistische Faktoren wie Lieferkettenprobleme eine Rolle. Sie sorgen dafür, dass Zinn nicht immer zeitnah zum Nachfrager verschifft werden kann. In Indonesien, dem global größten Zinnlieferanten, und in Malaysia arbeiteten Minen zudem pandemiebedingt vorübergehend nicht mit voller Kapazität. Auch brachten Wartungsarbeiten bei einigen Anbietern die Produktion zeitweise zum Erliegen. Die Lagerbestände sind derweil sowohl in Schanghai als auch in London auf Multi-Jahres-Tiefs gesunken. Allein in Schanghai liegen sie nun 75 Prozent unter dem Niveau vom März 2021. Verwendet wird Zinn unter anderem in der Medizin, bei der Herstellung von Weißblech oder als Legierungsbestandteil anderer Art; es lässt sich schwer substituieren. Von fundamentaler Seite spräche einiges für eine Fortsetzung der Preisrally, allerdings, wie häufig bei Rohstoffen, unter möglicherweise starken Kursschwankungen und -rücksetzern.