Am Arbeitsmarkt herrscht Knappheit, Aktionäre reagieren bisher nur begrenzt auf die Pläne der US-Regierung zur Steuerfinanzierung, und die Inflationsrate Brasiliens steigt im August auf 9,7 Prozent.
Arbeitskräfte gesucht
Nicht nur bei der Logistik und bei den Lieferketten treten derzeit Engpässe auf. Auch am Arbeitsmarkt herrscht Knappheit: Eine Umfrage des Personalvermittlers Manpower bei fast 45.000 Unternehmen in 43 Ländern zeigt nämlich, dass 69 Prozent der Firmen Schwierigkeiten haben, geeignete Mitarbeiter zu finden. Diese Entwicklung markiert ein 15-Jahres-Hoch. Gleichzeitig bekunden Unternehmen aus 15 Ländern, überwiegend aus Nordamerika und Europa, die verstärkte Absicht, weiteres Personal einstellen zu wollen. Noch halten sich die Inflationserwartungen auf die kommenden fünf Jahre recht stabil, bei gut 1,5 Prozent in Europa und 2,5 Prozent in den USA. Nach den Preissteigerungen von Rohstoffen und beim Transport sowie den Schwierigkeiten bei den Lieferketten könnten die Arbeitsmärkte mit entsprechenden Lohnsteigerungen für ein Umdenken bezüglich der künftigen Inflation sorgen.
Diskussionen um Steuererhöhung in den USA
Bis dato scheinen Aktionäre nur begrenzt auf die Pläne der US-Regierung zur Steuerfinanzierung des 3,5 Billionen US-Dollar schweren Fiskalpaketes zu reagieren. Unter anderem sollen steigende Körperschaftssteuern die Kosten des auf zehn Jahre ausgelegten Stimulus tragen. Analysten zufolge preist der Markt die Abgabenerhöhung „nur“ mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von rund 60 Prozent ein. Entsprechend besteht im Falle einer endgültigen Bewilligung durch den Kongress Korrekturpotenzial bei US-Aktien. Rund fünf Prozent der erwarteten 220 US-Dollar Gewinn dürfte der S&P 500 im Jahr 2022 unter der geplanten Steuererhöhung einbüßen. Unternehmen der Gesundheits- sowie IT-Branche wären überdurchschnittlich betroffen. Auch eine zwei prozentige Abgabe auf Aktienrückkäufe steht zur Diskussion und könnte die langfristige Kursentwicklung von US-Werten bremsen. Zwar dürften die Vorschläge von US-Präsident Joe Biden im Rahmen der Parlamentsverhandlungen noch an Schlagkraft verlieren. Nichtsdestotrotz halte ich bei dem aktuell hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der erwarteten Gewinne in den kommenden zwölf Monaten von rund 22 einen kurzen, stärkeren Rücksetzer infolge einer voranschreitenden Konkretisierung des Gesetzesentwurfes für möglich.
Wohnimmobilienpreise steigen weiter
Im zweiten Quartal sind die Wohnimmobilienpreise im globalen Durchschnitt um gut zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen – der höchste Zuwachs seit 40 Jahren. Am stärksten verteuerten sich Häuser und Wohnungen mit einem Plus von 28,4 Prozent in der Türkei. Sehr hohe Preissteigerungsraten gab es zudem in Australien, Neuseeland und den USA. Bei einigen Notenbanken verursacht der boomende Immobilienmarkt inzwischen Sorgenfalten. Denn höhere Immobilienpreise führen meist zu steigenden Mieten, die in den Verbraucherpreisen berücksichtigt werden und damit die Inflation anheizen. Gleichzeitig kann eine schnell wachsende Hypothekenverschuldung die Finanzstabilität gefährden. Das Risiko einer vom Wohnimmobilienmarkt ausgehenden Finanzkrise wie 2007 halte ich aber für gering. Selbst in Ländern mit einer dynamischen Kreditnachfrage ist die Belastung privater Haushalte durch Zinszahlungen in Relation zu den Einkommen gesunken und liegt unter dem langjährigen Durchschnitt. Kreditausfälle in großem Umfang sind somit kaum zu befürchten. Der Aufschwung an den meisten Wohnimmobilienmärkten scheint nicht gefährdet.
Zinsanhebung in Brasilien
In Brasilien stieg die Inflationsrate im August auf 9,7 Prozent an; im Juli hatte sie bei neun Prozent gelegen. Die nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen wieder erstarkte Konsumnachfrage wirkte dabei ebenso preistreibend wie die globalen Lieferengpässe, ein schwächerer Brasilianischer Real und die dürre bedingt stark gestiegenen Strompreise aus Brasiliens Hauptenergieträger Wasserkraft.
Trotz stagnierender Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal dürfte die Notenbank Brasiliens in der kommenden Woche daher den Leitzins erneut anheben – auf möglicherweise 6,25 Prozent. Weitere Schritte könnten folgen, wobei nicht wenige Analysten für das erste Quartal 2022 sogar mit einer Neun vor dem Komma rechnen. Bereits heute liegt die Rendite brasilianischer Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren bei 9,4 Prozent und damit auf dem Niveau der Gewinnrendite brasilianischer Aktien. Solange ein Ende möglicher Zinsschritte nicht absehbar ist, rate ich weiterhin zu Vorsicht an Brasiliens Aktienmarkt.
