Die Lieferengpässe dürften ihren Höhepunkt überschritten haben, an den Märkten für Staatsanleihen tritt eine ungewöhnliche Bewegung auf, und Industriestaaten sind zunehmend von Trinkwasserknappheit betroffen.
Lieferengpässe: Licht am Ende des Tunnels
Die Industrieproduktion in der Eurozone fiel zur Jahresmitte wieder in etwa auf den Stand von Ende 2020 zurück, da wichtige Produktionskomponenten – insbesondere Halbleiter – knapp waren. Dabei legten die Neuaufträge für industriell gefertigte Güter im gleichen Zeitraum um gut elf Prozent zu. Nun mehren sich die Anzeichen, dass Lieferengpässe die Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe bald weniger beeinträchtigen könnten. Denn die Lieferzeiten für Produktionskomponenten verlängerten sich im August laut dem jüngsten Einkaufsmanagerindex nicht mehr ganz so schnell wie in den vorangegangenen Monaten. Auch verteuerten sich die für die Fertigung benötigten Materialien und Güter zuletzt weniger stark. Setzt sich die Entspannung bei den Lieferengpässen fort, dürfte dank voller Auftragsbücher ein lang anhaltender und starker Aufschwung der Industrieproduktion in der Eurozone einsetzen. Ich erwarte daher eine weiterhin positive Entwicklung der Erträge europäischer Industrieunternehmen, was die Kurse trotz der bereits relativ hohen Bewertung stützen sollte.
Staatsanleihen: Renditen divergieren kurzfristig
An den Märkten für Staatsanleihen trat in dieser Woche eine recht ungewöhnliche Divergenz auf. Während die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen moderat nachgaben, stiegen die Kapitalmarktzinsen der europäischen Pendants relativ deutlich an. Begründen lässt sich dies mit unterschiedlichen Äußerungen von Währungshütern. Der Gouverneur der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, hatte sich vergangenen Freitag sehr vorsichtig und zurückhaltend zu einem Zurückfahren der geldpolitischen Unterstützung geäußert. In Europa ließen hingegen unter anderem Vertreter der Notenbanken Deutschlands, Österreichs und der Niederlande verlauten, dass es allmählich an der Zeit wäre, das Tempo der Anleihekäufe zu reduzieren; dies, nachdem die Inflationsrate der Eurozone gemäß der Berechnungsmethode der europäisch harmonisierten Inflation im August überraschend deutlich auf drei Prozent gestiegen war. Ich denke jedoch, dass die Renditen der Staatsanleihen in beiden Währungsblöcken sich bald wieder in die gleiche Richtung bewegen dürften.
Die US-Renditen sollten dabei den Takt vorgeben und infolge der mittelfristig bevorstehenden Wende in der Geldpolitik deutlicher ansteigen, die Kurse der Anleihen dementsprechend nachgeben.
Europa: Airline-Aktien ohne Impulse
Aktien europäischer Fluglinien haben sich in den vergangenen Monaten recht unterschiedlich entwickelt. In Europa legten Titel von Low-Cost Carriern moderat zu, da Sommertouristen in diesem Jahr überwiegend innerhalb Europas verreist sind. Im Juli und im August lag die Zahl durchgeführter Flüge einzelner Billigfluggesellschaften bereits wieder auf dem Niveau von 2019. Obwohl auch große Fluglinien mittlerweile wieder häufiger abheben, operieren sie noch immer 30 bis 50 Prozent unter Vorkrisenniveau. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage nach Langstreckenflügen in die USA, nach China oder nach Japan wegen geltender Einreisebeschränkungen weiterhin sehr gering ist. Zudem bleibt die erhoffte Rückkehr der Nachfrage Geschäftsreisender bisher aus. Entsprechend dürftig haben sich Aktien großer europäischer Airlines zuletzt entwickelt. Nach dem Ende der Urlaubssaison und angesichts der unerfreulichen Entwicklung der Coronavirus-Pandemie – die im Winter wieder in den Anlegerfokus rücken dürfte – sehe ich aktuell nur wenige Auslöser für eine anhaltende Kurserholung und rate Anlegern deshalb vom Einstieg ab.
Trinkwasser: Knappheit verschärft
Eine Milliarde Menschen lebten 2020 laut World Resources Institute in Regionen mit Trinkwasserknappheit – 2025 könnten es bereits 3,5 Milliarden Menschen sein. Besonders hoch ist der Mangel im Nahen Osten, in Nordafrika und in Teilen Indiens. Doch auch Industriestaaten sind zunehmend betroffen: Im August rief die US-Regierung nach fast zehn Jahren Dürre erstmals den Notstand für den Colorado River aus, da dessen Wasserspiegel dramatisch gesunken war. Der wichtige Stausee Lake Mead, aus dem circa 25 Millionen Personen ihr Wasser beziehen, ist nur noch zu 35 Prozent gefüllt – Tiefstwert seit Fertigstellung der Hoover-Talsperre in den 1930er-Jahren. Um die Wasserversorgung in den kommenden Jahrzehnten aufrechtzuerhalten, sind höhere öffentliche Investitionen notwendig. Der US-Bundesverband der Bauingenieure bemisst allein die Instandhaltungskosten der Wasserleitungen bis 2039 auf mehrere Billionen US-Dollar. Firmen aus den Bereichen Wasser-Infrastruktur, Abwasseraufbereitung und Wasserversorgung sollten hiervon langfristig profitieren können.
