90 Prozent der an den großen Börsen in den USA, in Europa und in Japan notierten Unternehmen haben ihre Berichte zum zweiten Quartal präsentiert, Halbleiter sind weiterhin Mangelware, und die Konjunkturdynamik in Russland könnte ihren Höhepunkt überschritten haben.
Berichtssaison: starke Ergebnisse im zweiten Quartal
Mittlerweile haben rund 90 Prozent der an den großen Börsen in den USA, in Europa und in Japan notierten Unternehmen ihre Berichte zum zweiten Quartal präsentiert. Die Zahlen zeugen von einer schwungvollen Erholung der Geschäftslage, teilweise bedingt durch Basiseffekte.
US-Unternehmen konnten ihre Gewinne gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppeln und übertrafen die Analystenerwartungen in 85 von 100 Fällen.
Europäische Unternehmen überzeugten mit einem Gewinnwachstum von 71 Prozent gegenüber 2020, wobei knapp zwei Drittel besser als erwartet ablieferten.
Japanische Unternehmen verzeichneten 52 Prozent Gewinnzuwachs gegenüber dem Vorjahr; im Vorquartal waren es noch 72 Prozent gewesen.
Über alle drei Märkte hinweg revidierten 70 Prozent der Unternehmen, die ihre Gewinnprognosen im Laufe des zweiten Quartals korrigierten, diese nach oben. Für die kommenden Monate erwarte ich jedoch insgesamt schwächere Gewinnzuwächse. Zum einen wegen des auslaufenden Basiseffekts, zum anderen wegen möglicher Wachstumsdellen durch die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus.
Halbleiter-Branche: steigende Nachfrage, sinkende Kurse
Halbleiter sind weiterhin Mangelware – das spiegelt sich auch in kontinuierlich steigenden Preisen wider. Nichtsdestotrotz ging es für den US-Branchenindex SOX in der vergangenen Woche um gut drei Prozent nach unten, während die westlichen Leitindizes Höchststände erklommen.
Zurückzuführen sei dies laut Analysten auf drohende Schadensersatzklagen der Automobilproduzenten sowie auf die sich eintrübenden Geschäftsaussichten für Hersteller von Arbeitsspeichern. Dazu gesellten sich auch Stimmen, denen zufolge langfristig ein Angebotsüberhang von Chips zu erwarten sei. Der Grund dafür läge in den immensen Investitionen einiger Unternehmen zur Ausweitung ihrer Produktionskapazitäten. Obwohl die Branche nun kurzfristig an diesen Nachrichten zu knabbern haben wird, ist aus meiner Sicht noch lange kein Abflauen der globalen Chip-Nachfrage in Sicht. Getragen von den großen strukturellen Änderungen hin zu mehr Digitalisierung und Automatisierung könnten etwaige weitere Rücksetzer als Einstiegsmöglichkeit betrachtet werden.
Kupfer: Angebotsschock ausgeblieben
Nach lange stockenden Verhandlungen haben nun die Bergarbeiter der weltweit größten Kupfermine Escondida in Chile ein Tarifangebot der Minenbetreiber akzeptiert. Damit bewahrheiteten sich die Befürchtungen eines potenziellen Angebotsschocks nicht – immerhin soll die Mine im Jahr 2021 etwa fünf Prozent der globalen Kupfernachfrage bedienen. Obwohl aktuell noch weitere Kupferminen in Chile bestreikt werden, ist keine mit den Dimensionen Escondidas vergleichbar. Entsprechend bewegt sich der Preis des Grundmetalls an der Londoner Metallbörse weiterhin seitwärts entlang der Marke von 9.500 US-Dollar pro Tonne. Da zwischenzeitlich aber die US-amerikanischen sowie die chinesischen Kupfervorräte nahe an die Jahres-Tiefst-Niveaus abgeschmolzen sind – unter anderem wegen der kupferintensiven Transformation hin zu nachhaltiger Energie –, sollte deren Aufstockung früher oder später den Preis weiter nach oben treiben.
Russland: Wachstumsdynamik könnte nachlassen
Russlands Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2021 um 10,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr – erwartet worden waren 9,6 Prozent. Die Konjunkturdynamik könnte ihren Höhepunkt jedoch bereits überschritten haben, da der sektorübergreifende Einkaufsmanager-Index im Juli auf 51,7 sank – das niedrigste Niveau seit Januar. Mit nur noch 47,5 Punkten signalisiert das Stimmungsbarometer des Verarbeitenden Gewerbes im Juli sogar eine schrumpfende Industrieaktivität. Und auch die im Juli mit 6,8 Prozent hohe Kerninflation dürfte die russische Notenbank an ihrem Zinserhöhungskurs festhalten lassen. Die großen Energiekonzerne Russlands, die über 40 Prozent an Moskaus Börse ausmachen, könnten zwar von höheren OPEC+-Förderquoten profitieren. Allerdings ist die Wirtschaft in Russland mit bisher nur 22 Prozent vollständig Geimpften auch zukünftig anfällig für neue Ausbrüche des Coronavirus. Entsprechend hat sich das für die kommenden zwölf Monate erwartete Gewinnwachstum russischer Unternehmen in den vergangenen drei Wochen von 35 Prozent auf aktuell 27 Prozent reduziert – zunächst keine guten Vorzeichen für Russlands Börse.
