Anleger schauen auf die Berichtssaison zum dritten Quartal, die Chipindustrie weltweit plant milliardenschwere Investitionen, und die Norges Bank verabschiedet sich von der Nullzins-Politik.
Berichtssaison Europa: Sektoren Automobile und Finanzen geschwächt
Viele Unternehmen werden in den kommenden Wochen wieder ihre Geschäftsergebnisse vorlegen, auch in Europa. Für die Konzerne des STOXX 600, die vierteljährlich Gewinne veröffentlichen, erwarten Analysten eine deutliche Erholung der Gewinne vom Corona-Dämpfer des Vorjahresquartals. Allerdings schätzen sie, dass die Profite zirka zehn Prozent niedriger ausgefallen sein könnten als im zweiten Quartal. Den stärksten Rückgang erwarten sie dabei in den Sektoren Automobile und Finanzen. Verantwortlich dürften die nachlassende Konjunkturdynamik, weltweite Lieferengpässe, Produktionsstopps sowie hohe Rohstoff- und Energiepreise sein. Gleichzeitig dürften unter anderem die Sektoren Immobilien, Energie und Industrie ihre Gewinne weiter gesteigert haben. Angesichts der aufkommenden Inflationssorgen erwarte ich, dass Investoren in den kommenden Wochen sehr genau darauf achten werden, wie sich die Unternehmen zum steigenden Kostendruck äußern. Aktien von Konzernen, die Schwierigkeiten bei der Kostenweitergabe an ihre Kunden melden, dürften daher unter Druck geraten.
Chip-Hersteller weiten Kapazitäten aus
Die anhaltende Halbleiterknappheit veranlasst die Chipindustrie weltweit zu milliardenschweren Kapazitätsausweitungen. Jüngstes Beispiel ist der taiwanische Marktführer, der zu Monatsbeginn bekanntgab, 2022 sieben Milliarden US-Dollar in den Bau einer Chip-Fertigungsanlage in Japan zu investieren. Im April hatte derselbe Hersteller bereits den Neubau einer Anlage in den USA für rund zwölf Milliarden US-Dollar angekündigt. Und auch der Branchenprimus der Volksrepublik China plant zwei neue Fertigungswerke in Shanghai und in Shenzen mit einem Investitionsvolumen von insgesamt zwölf Milliarden US-Dollar. Allein in Südkorea, Taiwan, China und Japan dürften sich laut Schätzungen des internationalen Branchenverbandes SEMI die Investitionen in neue Halbleiterfertigungen 2022 auf gut 60 Milliarden US-Dollar summieren. Für entsprechende Nachfrage sollte dank globaler Digitalisierung, Automatisierung und zunehmender E-Mobilität gesorgt sein. Die World Semiconductor Trade Statistics (WSTS) rechnet für 2022 mit einem weltweiten Branchenumsatz von 573 Milliarden US-Dollar – ein Plus von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit einem durchschnittlichen für die kommenden zwölf Monate erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 halte ich Halbleiteraktien weiterhin für interessant.
Steigende Zinserträge bei nordischen Banken
Der Zinsschritt, mit dem sich die Zentralbank Norwegens vor kurzem aus der Nullzinspolitik verabschiedet hat, dürfte nicht der letzte gewesen sein. Bis Jahresende könnte ein weiterer folgen, Ende 2022 erwarten die Währungshüter den Leitzins bei 1,25 Prozent. Noch mehr als Banken in anderen Ländern profitieren norwegische Finanzinstitute von höheren Zinsen. Denn etwa 70 Prozent ihrer Erträge stammen aus dem Zinsgeschäft; im europaweiten Durchschnitt sind es nur knapp 59 Prozent. Die positiven Effekte auf der Ertragsseite dürften schnell sichtbar werden. Denn die Banken können die Konditionen bei einem Großteil ihrer Kredite kurzfristig anpassen. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern dominieren in Norwegen Kreditverträge mit einem variablen Zins; bei 94 Prozent der Hypothekendarlehen ist eine regelmäßige Anpassung der Zinssätze an die Marktentwicklung vorgesehen. Meines Erachtens könnten Aktien norwegischer Banken angesichts der geldpolitischen Straffung interessant sein.
Verteuerter Strom treibt Industriemetallpreise
Aluminium wurde an der Londoner Metallbörse zuletzt so teuer gehandelt wie seit 13 Jahren nicht mehr. Die Preise für Zink stiegen vergangene Woche in der Spitze um 23 Prozent auf ein 14-Jahres-Hoch.
Auslöser der Preissprünge waren allerdings nicht plötzliche Nachfrageschübe, sondern Einschränkungen auf der Angebotsseite infolge steigender Strompreise. Um eine Tonne Aluminium zu produzieren, muss so viel Energie aufgewendet werden, wie ein Einfamilienhaus in drei Jahren benötigt. Wären die weltweiten Aluminiumproduzenten ein Staat, wäre dieser der fünftgrößte Stromverbraucher global. Die Zinkpreise starteten durch, als zwei der weltgrößten Produzenten ankündigten, die Produktion in den europäischen Schmelzen wegen der gestiegenen Kosten für Strom und für CO2-Zertifikate um 50 Prozent herunterzufahren. Da die Produktionsausfälle momentan für die Ertragssituation der Zink- und Aluminiumproduzenten relevanter sind als die höheren Preise beider Metalle, wäre ich aktuell bei Titeln der Produzenten zurückhaltend.
