• Die heutige Sitzung der Europäischen Zentralbank stand ganz im Zeichen der Neuausrichtung der geldpolitischen Instrumente für das kommende Jahr. So beschloss der Rat, dass das Notfallprogramm PEPP über den März 2022 hinaus nicht erneut verlängert wird. Das anvisierte Ankaufvolumen bleibt unverändert bei EUR 1,85 Billionen, was bis Ende März fast, aber wahrscheinlich nicht ganz aufgebraucht werden dürfte. An der Leitzinsschraube dreht die EZB erwartungsgemäß nicht.
• Wie erwartet wird der Ausstieg aus den PEPP-Nettoankäufen durch eine Reihe von zusätzlichen Beschlüssen flankiert. Zur Vermeidung von Klippeneffekten wird das reguläre Ankaufprogramm APP auf monatlich EUR 40 Mrd. in Q2 bzw. EUR 30 Mrd. in Q3 aufgestockt. Ab Oktober 2022 kehrt die EZB zum derzeitigen Tempo zurück und benennt weiterhin kein Ablaufdatum. Die bislang klar kommunizierte Reihenfolge, wonach eine Zinserhöhung erst nach dem Ende aller Nettoankäufe erfolgt, wurde heute noch einmal bestätigt. Ein Zinsschritt in 2022 ist damit sehr unwahrscheinlich. Zu begrüßen ist aber, dass die EZB für eine Kompensation der Lasten des Bankensektors durch Negativzinsen zukünftig offenbar den Tiering-Faktor rekalibrieren möchte!
• Der Rat plant zusätzlich, Fälligkeiten aus dem PEPP nun mindestens bis Ende 2024 vollständig zu reinvestieren. Vor dem Hintergrund der hohen Unsicherheit über den weiteren Pandemieverlauf sichert sich der Rat zudem ein hohes Maß an Flexibilität. So behält er sich eine strategische Nutzung der Reinvestments für den Fall neuer Marktturbulenzen ebenso vor wie eine Reaktivierung der PEPP-Nettoankäufe, sofern negative Schocks durch die Pandemie dies erforderlich machen.
• Die hohen Inflationsraten sind ein globales Phänomen und setzen die Notenbanken weltweit unter Druck. Mit Spannung wurden daher die neuen Projektionen der EZB erwartet. Klar war schon im Vorfeld, dass die Inflationsprojektion zumindest für das Jahr 2022 sehr deutlich nach oben revidiert werden muss – und in der Tat ist die Anhebung von 1,7% auf 3,2% außergewöhnlich! Für 2023 (1,8%) und 2024 (1,8%) bleibt die EZB jedoch bei der Erwartung einer eher zu niedrigen Inflation.
• Die US-Notenbank hat gestern einen klar hawkishen Ton angestimmt, das Tapering-Tempo erhöht und mit den neuen Dot Plots die Erwartung eines früher einsetzenden und steileren Zinserhöhungspfades kommuniziert. Die Bank of England (0,25%) und die Norges Bank (0,50%) haben heute sogar ihre Leitzinsen erhöht. Die EZB begibt sich hingegen mit den heutigen Beschlüssen nicht ins Lager der Falken, die Tauben in Frankfurt sind offenbar noch lange nicht müde!
• Die EZB lässt richtigerweise das PEPP Ende März auslaufen, die Geldpolitik bleibt aber expansiv, dies unterstreichen nicht nur die flankierenden Maßnahmen für 2022. Auch die noch weiter in die Zukunft reichenden Festlegungen machen es unwahrscheinlich, dass auf das Ende des PEPP schon bald eine Zinserhöhung folgt. Noch überwiegt die Sicht im Rat, dass transitorische Effekte einen „Inflationsbuckel“ erzeugen. Es stellt sich aber die Frage, ob aus dem Buckel nicht doch ein Hochplateau wird. Gerade die massive Aufwärtsrevision der kurzfristigen Inflationsprognose für 2022 unterstreicht die hohe Prognoseunsicherheit. Mehr Flexibilität ist bei großer Unsicherheit sicher der richtige Ansatz, diese sollte jedoch für beide Seiten gelten, also auch für den Fall einer möglicherweise länger anhaltenden Inflationszielverfehlung.
• Fazit: Die EZB reagiert auf den starken Anstieg der Inflation und lässt das PEPP-Programm Ende März 2022 auslaufen. Zugleich flankiert der Rat wie erwartet den Ausstieg und organisiert über das APP eine Fading-out-Phase. Zudem sichert er sich ein hohes Maß an Flexibilität für den Fall neuer Marktturbulenzen. Die Inflationsprognose für 2022 hat die EZB dramatisch angehoben – von 1,7% auf 3,2%! Dies belegt die hohe Prognoseunsicherheit in der Pandemie. Die EZB bleibt insofern auf halbem Weg stehen, da ein mehr an Flexibilität auch notwendig ist, um rechtzeitig und angemessen auf einen anhaltenden Inflationsdruck reagieren zu können. Der „Inflationsbuckel“ könnte sich auch als Hochplateau entpuppen!
15.35 Uhr MEZ
2021-12-16