Die anstehende Berichtssaison im S&P 500 könnte positive Überraschungen bringen, bei US-Staatsanleihen wurden viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt, und die Nachfrage nach Zinn dürfte hoch bleiben.
US-Berichtssaison: Erwartungen zu niedrig?
Die Geschäftsergebnisse erster US-Großbanken geben heute den inoffiziellen Startschuss zur Berichtssaison für das zweite Quartal. In den vergangenen drei Monaten haben die Analysten ihre Gewinnprognosen für den S&P 500 um elf Prozent angehoben, so stark wie nie seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2000.
Sie erwarten nun eine durchschnittliche Gewinnsteigerung von gut 60 Prozent zum Vorjahresquartal. Auch wenn die Erwartungen auf den ersten Blick hoch erscheinen, trügt der Eindruck. Im Vergleich zu 2019 entspricht die Prognose nur einem Plus von neun Prozent, dabei lagen die Gewinne im ersten Quartal satte 25 Prozent höher als im Vergleichsquartal 2019.Angesichts positiver Coronavirus-Entwicklungen in Europa und – im Vergleich zum Vorjahr – förderlicher Währungseffekte denke ich, dass die Analystenschätzungen erneut zu niedrig liegen und übertroffen werden könnten. Starke Gewinne und zuversichtliche Geschäftsausblicke dürften sich sicherlich positiv auf die Stimmung am Markt auswirken, die in den letzten Wochen durch schwächere Konjunkturdaten in den USA und China gedämpft wurde. Nach mehreren Monaten mit relativ schwächerer Wertentwicklung sollten Zykliker und Substanzwerte in diesem Umfeld wieder etwas Boden gutmachen können.
US-Staatsanleihen: viel Nachfrage, geringes Angebot
Auf dem falschen Fuß erwischt wurden viele Investoren, die auf weiter steigende Kapitalmarktzinsen in den USA gesetzt hatten. Auch wir hatten in der zweiten Märzhälfte vor einer Gegenbewegung zum Zinsanstieg gewarnt, allerdings das Ausmaß nicht so stark erwartet. Rentierten zehnjährige US-Staatsanleihen Ende März noch bei 1,75 Prozent, so waren es kürzlich nur noch 1,25 Prozent. Anscheinend beunruhigt die Tatsache, dass die Inflationsrate in den USA im Mai auf das höchste Niveau seit 13 Jahren geklettert ist, die Akteure an den Anleihemärkten nicht sonderlich. Sie erwarten – gemessen an sogenannten Overnight Index Swaps (OIS) – in fünf Jahren ein kurzfristiges Zinsniveau von 1,5 Prozent. Dies liegt exakt einen Prozentpunkt unter dem Leitzins, den die US-Notenbank Fed selbst in fünf Jahren erwartet. Die Anleger gehen somit davon aus, dass die hohen aktuellen Inflationsraten vorübergehend sind. In den vergangenen drei Wochen kam hinzu, dass das US-Finanzministerium keine neuen Anleihen emittierte, die US-Notenbank aber ihr Anleihekaufprogramm fortsetzte. Deshalb traf konstant starke Nachfrage auf ein geringes Angebot, woraufhin die Kapitalmarktzinsen sanken. Ich erwarte jedoch weiterhin ein ansteigendes Renditezinsniveau, was mit entsprechenden Kursverlusten der Anleihen verbunden wäre.
Zinn boomt
Der Zinnpreis ist 2021 bisher um 56 Prozent gestiegen und notiert mit rund 33.000 US-Dollar je Tonne knapp unter dem im Juni erreichten Zehn-Jahres-Hoch. Für Maschinenlager und Konservendosen, aber auch zum Löten von Halbleiterschaltkreisen ist Zinn als Legierungsbestandteil moderner Industriegüter unverzichtbar. Indonesien, der weltweit größte Zinnexporteur, verzeichnete im Lockdown von Januar bis Mai 2021 einen Exportrückgang von drei Prozent gegenüber dem pandemiebedingt schwachen Vorjahreszeitraum. In Chinas wichtigster Zinnregion, der Provinz Yunnan, kam es zwischenzeitlich zu Produktionseinschränkungen, als Strom aus Wasserkraft wegen einer Dürre rationiert wurde und einer der beiden Schmelzöfen des größten Produzenten für 45 Tage ausfiel. Experten rechnen für 2021 mit einem globalen Defizit von 10.200 Tonnen. Auch danach könnte die Nachfrage nach Zinn, einem der Hauptnutznießer der sogenannten vierten industriellen Revolution, hoch bleiben und die Preise strukturell stützen. Zinn fördernde Minenunternehmen zum Beispiel aus Indonesien, China und Malaysia könnten profitieren, wobei die Gewinne der Firmen groß teils von anderen Metallen abhängen.
Gewerbliche US-Immobilien teurer
Nicht nur Wohnimmobilien, auch gewerbliche Immobilien haben sich in den USA zuletzt stark verteuert. Im Mai 2021 stiegen die Preise über alle Objektarten hinweg im Vorjahresvergleich um durchschnittlich 8,9 Prozent. Der Aufwärtstrend hat sich damit den neunten Monat in Folge beschleunigt. Allerdings verläuft die Entwicklung in den einzelnen Marktsegmenten sehr unterschiedlich. Besonders starke Preiszuwächse verzeichneten mit 10,1 beziehungsweise 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr Wohn- und Logistikimmobilien. Deutlich gedämpfter verlief die Entwicklung bei Einzelhandels- und Büroimmobilien (2,3 bzw. 2,9 Prozent) – beide Segmente wurden durch die Coronavirus-Pandemie besonders stark belastet. Gleichwohl halte ich angesichts der schnellen und starken Erholung der US-Wirtschaft auch hier spätestens im Verlauf des Jahres 2022 einen beschleunigten Aufwärtstrend für möglich. Anlagen in gewerbliche Immobilien in den USA erscheinen vor diesem Hintergrund weiterhin interessant.
