Der Teilindex des ifo Geschäftsklimas für den Einzelhandel steigt so schnell wie noch nie seit der Wiedervereinigung, der Global Risk Report 2021 benennt unzureichenden Klimaschutz als Top-Risiko, und die Ölmärkte blicken optimistisch in die nahe Zukunft.
Aktien: Aufholpotenzial in der Eurozone
Die lang ersehnte Öffnung von Geschäften, Restaurants und Hotels sorgt geradezu für Euphorie unter europäischen Dienstleistern. Noch nie seit der deutschen Wiedervereinigung ist der Teilindex des ifo Geschäftsklimas für den Einzelhandel so schnell gestiegen wie im Juni. Auch die Dienstleister in Frankreich zeigen sich über die positive Entwicklung an der Coronavirus-Front höchst erfreut; hier erreichte die Stimmung laut einem ebenfalls gestern veröffentlichten Geschäftsklimaindex den höchsten Wert seit 32 Jahren. Weil die EU-Staaten infolge einer zunächst langsam angelaufenen Impfkampagne ihre Beschränkungen später zurückgefahren haben als beispielsweise die USA, besteht noch erhebliches konjunkturelles Erholungspotenzial. Das sollte für Rückenwind an den Aktienmärkten sorgen und bestätigt meine Einschätzung, dass die Aktienmärkte im Euroraum gegenüber dem US-amerikanischen aufholen könnten. Immerhin liegt der EURO STOXX 50 seit dem Corona-Kurstief im März 2020 immer noch rund 25 Prozentpunkte hinter dem US-amerikanischen S&P 500. Allerdings könnte auch in der Eurozone die Diskussion um eine bevorstehende Zinswende schnell an Fahrt aufnehmen, wenn sich die Konjunkturdaten weiterhin so dynamisch nach oben bewegen. Hohe Kursschwankungen sind daher programmiert.
Global Risk Report 2021: Top-Risiko CO2-Emissionen
„Climate action failure“ (unzureichender Klimaschutz) ist das Top-Risiko im Global Risk Report 2021 des Weltwirtschaftsforums. Regierungen rund um den Globus haben inzwischen mit verschiedenen Maßnahmen darauf reagiert, von gezielten Investitionsprogrammen bis hin zur Einführung von Kohlendioxid-Emissionshandelssystemen. Der Internationale Währungsfonds hält einen Anstieg des CO2-Emissionspreises auf 75 US-Dollar je Tonne bis 2030 für notwendig, um die Erderwärmung im Bereich der in Paris vereinbarten Grenzen von 1,5 bis 2 Grad Celsius halten zu können. Das EU-Handelssystem weist bereits Preise jenseits der 60 US-Dollar je Tonne aus, in Kalifornien liegen sie zurzeit bei etwa 20 US-Dollar je Tonne. China lanciert jetzt ebenfalls eine nationale CO2-Emissions-Handelsplattform. Analysten gehen davon aus, dass die Preise anfangs bei etwa sechs US-Dollar pro Tonne liegen werden. Weltweit steigende Emissionspreise werden den Anreiz zur Investition in „saubere“ Technologien beschleunigen. Spezialisierte Industrieunternehmen gerade auch aus Deutschland können davon profitieren.
Ölpreise kaum zu bremsen
Die Ölmärkte blicken optimistisch in die nahe Zukunft, obwohl die Corona-Pandemie besonders in Asien weiterhin ihr Unwesen treibt. Der Preis für US-amerikanisches Öl der Sorte WTI erzielte ein 33-Monats-Hoch und wurde höher als 74 US-Dollar pro Barrel gehandelt – 50 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Einer der Gründe für die Ölpreisrally sind die seit Wochen deutlich stärker als erwartet und mittlerweile auf Vor-Pandemie-Niveau gesunkenen Erdöllagerbestände in den USA. Die Ölproduktion in den USA liegt zudem mit aktuell 11,1 Millionen Barrel pro Tag weiterhin deutlich unter den rund 13 Millionen Barrel pro Tag, die noch Anfang 2020 gefördert wurden. Auch andere Ölsorten handeln momentan auf Niveaus, die zuletzt im Herbst 2018 erreicht wurden. Rückenwind liefern unter anderem die auf Jahrestiefs gefallenen Lagerbestände in China und die mangelnden Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen Europa und den USA mit dem Iran über die Aufhebung von Öl-Export-Sanktionen. Obgleich die OPEC+ kommende Woche über eine Anhebung der Fördermengen ab August diskutieren dürfte, könnte die aktuell positive Marktstimmung die Ölpreise vorerst weiter stützen.
Potenzial bei US-Immobilienfirmen
Am US-Wohnimmobilienmarkt trifft aktuell eine steigende Nachfrage auf ein reduziertes Angebot. Infolgedessen sind die Preise für Einfamilienhäuser dort im Mai 2021 um 23,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Lockdown-Maßnahmen haben bei vielen Amerikanern den Wunsch nach eigenen oder größeren „vier Wänden“ geweckt; an finanziellen Mitteln mangelt es ihnen mit geschätzt 2,6 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Ersparnissen nicht. Immobilieneigentümer hingegen hatten ihre Verkaufspläne während der Pandemie zurückgestellt, und die zwischenzeitlich stark gestiegenen Baustoffpreise haben die Neubauanträge seit März zurückgehen lassen. Analysten erwarten im weiteren Jahresverlauf eine angebotsseitige Entspannung des Marktes und einen Rückgang der Preissteigerung auf zehn Prozent.
Unternehmen des US-Immobiliensektors überzeugten im laufenden Jahr bisher mit einer durchschnittlichen Kurssteigerung von 25 Prozent. Der Sektor ist zwar hoch bewertet, doch die Analysten trauen den Immobilienfirmen inzwischen knapp 20 Prozent höhere Gewinne 2021 zu als zum Jahresstart, kurz nach dem Höhepunkt des Covid-19-Pessimismus.
