Die Europäische Union möchte bis 2027 insgesamt 300 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen in Schwellenländern mobilisieren, Frankreichs Wirtschaft dürfte im November ihr Vor-Pandemie-Niveau erreicht haben, und der globale Nachfrageüberhang nach Aktien dürfte auch im Jahr 2022 bestehen bleiben.

Europas „Seidenstraße“

Im Rahmen ihrer Global-Gateway-Initiative möchte die Europäische Union (EU) bis 2027 insgesamt 300 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen in Schwellenländern mobilisieren. Schwerpunkte bilden die Bereiche Digitalisierung, Energie, Verkehr, Gesundheit und Bildung. Das Projekt ist eine Antwort auf die Neue Seidenstraße, mit der sich China schon seit einiger Zeit über Kredithilfen Zugang zu Märkten in anderen Ländern verschafft. Die EU gewährt die Mittel in Form von Zuschüssen – aus Sicht der Empfangsländer ein entscheidender Vorteil gegenüber den Krediten aus China, die den oft schon hohen Schuldenberg in Schwellenländern weiter nach oben treiben. Auch für die Wirtschaft dürfte sich das Projekt auszahlen. Im Rahmen der Initiative soll die Exportförderung ausgebaut werden, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber der häufig subventionierten ausländischen Konkurrenz zu stärken. Wirtschaft und Märkte in Europa werden meines Erachtens auf lange Sicht profitieren. Auf Schwellenländer entfallen inzwischen 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung – sie werden für die stark exportorientierte Wirtschaft in Europa immer wichtiger.

Frankreich: Zentralbank hebt Wachstumsprognose an

Frankreichs Wirtschaft dürfte im November ihr Vor-Pandemie-Niveau erreicht haben und im Dezember um weitere 0,75 Prozent zum Vormonat wachsen. Das zumindest hat die französische Zentralbank gestern bekanntgegeben und zugleich ihre Wachstumsprognose für 2021 auf 6,7 Prozent angehoben. Offensichtlich scheint die auch in Frankreich aufkommende Omikron-Variante des Coronavirus die wirtschaftlichen Aussichten der Unternehmen nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Zwar strömt auch in Frankreich erneut eine Infektionswelle durchs Land. Aber mit fast 90 Prozent vollständig Geimpfter sieht Paris momentan keine Notwendigkeit neuerlicher drastischer Lockdowns. Gänzlich sorgenfrei sind französische Unternehmen dennoch nicht: Etwa die Hälfte der von der Zentralbank befragten 8.500 Unternehmen gab an, sie hätten Schwierigkeiten, ausreichend Personal zu finden; knapp 60 Prozent der Industrieunternehmen beklagen Angebotsengpässe infolge der aus dem Lot geratenen Lieferketten.
Sollten Letztere sich im Verlauf von 2022 einpendeln und die Erholung der Weltwirtschaft voranschreiten, dürften davon auch Frankreichs global ausgerichtete Konsumgüterproduktion und die Industrieunternehmen profitieren, die zusammen knapp 60 Prozent der Marktkapitalisierung der Pariser Börse ausmachen.

Europa: Immobilienaktien hinken hinterher

Der Immobiliensektor des STOXX 600 hat in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt nur drei Prozent pro Jahr zugelegt. 2021 sind es bislang zwar gut 13 Prozent, allerdings hängt der Sektor damit dem Gesamtmarkt dennoch knapp sechs Prozentpunkte hinterher. Besonders gut haben sich in diesem Jahr Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Warenlager und Datencenter entwickelt. Der Sub-Sektor liegt 55 Prozent im Plus. Gleichzeitig konnte die Gruppe der Holdings und Immobilienentwicklungsunternehmen, die für die Hälfte des Sektors steht, nur gut 13 Prozent hinzugewinnen. Im kommenden Jahr erwarte ich vom Gesamtsektor ebenfalls unterdurchschnittliche Kursgewinne; denn in der Vergangenheit hat sich dieser in Zeiten steigender Zinsen meist schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt. Anlegern kann ich den Sektor deshalb nur selektiv empfehlen.

Hedgefonds stützen die Aktiennachfrage

Der globale Nachfrageüberhang nach Aktien dürfte auch im Jahr 2022 bestehen bleiben und unter gewissen Umständen im Vergleich zu 2021 sogar deutlich zunehmen. Rückenwind könnte die Nachfrage insbesondere von Hedgefonds erfahren. Risikokennzahlen deuten darauf hin, dass diese ihre Aktienquoten im Laufe des Jahres auf ein unterdurchschnittliches Niveau reduziert haben. In Anbetracht der über 2021 hinaus anhaltenden negativen Realzinsen sowie der wirtschaftlichen Erholung könnten Hedgefonds ihren Risikoappetit wieder sukzessive erhöhen. Analysen zufolge würde eine Anhebung der Aktienquoten auf ein leicht überdurchschnittliches Niveau die globale Aktiennachfrage im Vergleich zu 2021 um knapp eine Billion US-Dollar steigern. Damit könnte im kommenden Jahr unter dem Strich sogar mehr Kapital an die Börsen dieser Welt fließen als in diesem Jahr und die Aktienkurse weiter antreiben.