Stimmungsindikatoren deuten auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone hin, Japan läuft anderen großen Industrieländern auf dem Weg zur Normalisierung weit hinterher, und Analysten sind mit Blick auf die Berichtssaison in Lateinamerika positiv gestimmt.
Negative Konjunkturnachrichten häufen sich
Die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone deuten im Oktober auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hin. Der aggregierte Stimmungsindikator bleibt mit 54,3 Zählern zwar über der Expansionsschwelle von 50 Punkten, steht aber so tief wie zuletzt vor sechs Monaten. Am stärksten fiel die Abkühlung in der Industrie aus, doch auch im Dienstleistungssektor trübte sich die Stimmung ein. Dies gilt im besonderen Maße für Deutschland: Der Index für die Industrieproduktion sank auf 51,1 Zähler – ein 16-Monats-Tief. Obwohl sich die Dynamik verlangsamt, bedeutet dies kein abruptes Ende der wirtschaftlichen Erholung. Ich erwarte weiterhin, dass sich in den kommenden Monaten die Lieferkettenprobleme und Energieknappheiten zum Großteil lösen werden und der Geschäftsausblick wieder positiver wird. Die Nachfrage nach Gütern dürfte dann wieder bedient werden. Die Erholung könnte sich allerdings bis weit in das nächste Jahr hinein ziehen und damit länger als bisher gedacht andauern. Die weitere Verlangsamung des Wirtschaftswachstums dürfte sich zwar auch in nur moderat steigenden Unternehmensgewinnen widerspiegeln. Die aktuelle Berichtssaison gibt allerdings wenig Anlass, an der Robustheit der Unternehmen zu zweifeln. Der Ausblick für Aktien bleibt positiv.
Fluggesellschaften droht erneutes Ungemach
Die Erholung der Reisebranche setzt sich fort. Inzwischen liegt die Anzahl der Buchungen innereuropäischer Flüge weniger als 25 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Auch die Nachfrage nach interkontinentalen Verbindungen hat zuletzt wieder angezogen, da die USA ab dem 8. November wieder Einreisen aus dem Ausland zulassen. Im vierten Quartal dürften die Airlines deshalb wieder mit drei Viertel ihrer Flottenkapazität operieren. Allerdings belastet die Unternehmen, dass die Kerosinpreise seit Jahresbeginn um 75 Prozent gestiegen sind und derzeit auf einem Fünf-Jahres-Hoch liegen.
Besonders betroffen sind Billigfluggesellschaften, die in der Pandemie teilweise ihre Absicherungsgeschäfte zurückgefahren haben und wegen ihrer Niedrigpreis-Strategie nur geringen Spielraum haben, die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Entsprechend erwarte ich gemischte Unternehmensaussagen in der anstehenden Berichtssaison und bleibe vorerst bei meiner zurückhaltenden Einschätzung der Branche.
Normalisierung in Japan rückt näher
Japan läuft anderen großen Industrieländern auf dem Weg zur Normalisierung nach der Coronavirus-Pandemie weit hinterher. Im Dienstleistungssektor lagen die Umsätze infolge wiederholter pandemischer Notstände im Sommer immer noch fast 20 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Das könnte sich bald ändern: Nachdem der jüngste Notstand im September ausgelaufen ist, bereitet sich die Regierung nun auf ein Ende der staatlich „verordneten“ Selbstbeschränkung für vollständig Geimpfte vor. Gleichzeitig haben einige Präfekturen wieder Subventionen für Restaurantbesuche eingeführt, um den Konsum von Dienstleistungen anzukurbeln. Zudem könnte bald auch das staatliche Förderprogramm für touristische Reisen wieder in Kraft treten. Von den Maßnahmen werden nicht nur Gaststätten und Hotels profitieren. Mit einer Lockerung der Beschränkungen und einer wachsenden Mobilität der Bevölkerung wird auch der Konsum anderer Dienstleistungen anziehen. Ich bin daher zuversichtlich, dass die Wirtschaft insgesamt an Fahrt gewinnt und Japans Aktienmarkt seine zuletzt ins Stocken geratene Aufholjagd gegenüber anderen Märkten wieder aufnimmt.
Berichtssaison Lateinamerika: Rohstoffpreise treiben die Gewinne
Für Lateinamerikas Unternehmen erwarten Analysten im Zuge der jüngst begonnenen Berichtssaison insgesamt positive Quartalszahlen. Für den Gesamtmarkt wird ein durchschnittliches Gewinnwachstum von mehr als 160 Prozent prognostiziert, während die operativen Gewinne und die Umsätze geschätzt um 37 beziehungsweise 25 Prozent steigen könnten. Trotz zuletzt rückläufiger Preise für Eisenerz und hoher Transportkosten dürften Südamerikas Minen- und Erdölunternehmen infolge insgesamt gestiegener Rohstoffpreise überdurchschnittlich hohe Gewinnzuwächse berichten. Die Unternehmensgewinne in Kolumbien und in Mexiko könnten mit mehr als 200 Prozent im Ländervergleich am stärksten wachsen. Von der jüngsten Abwertung lateinamerikanischer Währungen – im Vergleich zum Vorquartal um durchschnittlich sechs Prozent – dürften zwar weiterhin die Exportunternehmen profitieren. Gleichzeitig belasten aber teurere Importe – über geringere Margen und inflationsbedingt höhere Zinsen – die Unternehmensergebnisse. Auch deshalb dürfte das für 2022 und 2023 im Schnitt erwartete Gewinnwachstum lateinamerikanischer Unternehmen seit Anfang Juli von minus drei auf minus sieben Prozent zurückgegangen sein. Keine guten Aussichten für den breiten lateinamerikanischen Aktienmarkt.
