Fed-Mitglieder geben erstmals Zinsprognosen für 2024 heraus, Italien schreitet mit seinen geplanten Reformen schnell voran, und die Notenbank der Türkei senkt den Leitzins trotz hoher Inflation.

FOMC erwartet steigende Leitzinsen

Das Spannendste an der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Rates der US-Notenbank (Federal Open Market Committee; FOMC) waren meines Erachtens die Zinsprognosen der FOMC-Mitglieder, die sogenannten Dots. Erstmals für 2024 erhoben, zeigen sie eine Median-Erwartung von 1,8 Prozent – das hört sich nach einem deutlichen Anstieg des Leitzinses an, der aktuell nahe null Prozent liegt. Zu beachten ist aber, dass die Fed laut ihren Projektionen für das Jahr 2024 davon ausgeht, dass in den Jahren zuvor zum einen Vollbeschäftigung besteht, zum anderen das Wachstum oberhalb des langfristigen Trends liegt und die Inflation über dem Zielwert von zwei Prozent verharrt. Die kurzfristigen realen Renditen wären folglich trotz idealem ökonomischen Umfeld immer noch negativ. Genauso bemerkenswert ist, dass dieser eigentlich sehr unterstützende geldpolitische Ausblick der Fed noch vom Markt übertroffen wird, der den Leitzins nur bei etwas mehr als einem Prozent erwartet. Hieraus ergibt sich entweder, dass der Markt seine Erwartungen stark nach oben anpassen muss, oder dass Investoren noch lange in Realwerten investiert bleiben sollten.

USA: Droht ein „Government-Shutdown“?

Der US-Kongress steht im Oktober vor zwei großen Aufgaben:

Die Verabschiedung eines neuen US-Bundeshaushalts

Die Entscheidung über die US-Schuldenobergrenze

Eine zweijährige Aussetzung der letzten Obergrenze lief Ende Juli aus. Seither bestreitet das US-Finanzministerium die Bezahlung bereits bewilligter Ausgaben aus laufenden Steuereinnahmen, aus Barreserven und aus Sondervermögen. Schätzungen zufolge dürften diese Reserven zwischen Mitte Oktober und Mitte November erschöpft sein. Im Rahmen eines komplexen Gesetzgebungsverfahrens könnte eine Anhebung der Schuldenobergrenze allein mit den Stimmen aller Demokraten den US-Senat passieren; im eigentlich üblichen Verfahren wären mindestens 60 Senatsstimmen erforderlich. In Kombination mit einem Übergangshaushalt ließe sich damit ein „Government-Shutdown“ – also die Schließung der US-Bundesbehörden – vermeiden. Ein Selbstläufer dürfte diese mögliche Ein-Parteien-Lösung dennoch nicht werden, da die Reihen innerhalb der Demokraten nicht geschlossen sind. Bis zu einer endgültigen Entscheidung erwarte ich zähe politische Verhandlungen, die mit zunehmender Dauer auch für höhere Volatilität an den internationalen Kapitalmärkten sorgen könnten.

Reformfreude in Italien

Italien ist mit Zuschüssen und Krediten in Höhe von fast 200 Milliarden Euro der größte Empfänger von Hilfsgeldern aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Union. Eine erste Zahlung über 24,9 Milliarden Euro hat das Land vor Kurzem erhalten, eine weitere in Höhe von 24,1 Milliarden Euro könnte noch in diesem Jahr folgen. Denn die Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi schreitet mit den geplanten Reformen schnell voran und könnte somit die Voraussetzungen für die Auszahlung weiterer EU-Mittel schon bald erfüllen. Im Juli wurde ein Gesetz zur Vereinfachung von Verwaltungsprozessen verabschiedet; staatliche Infrastrukturprojekte – auch im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds – sollen dadurch beschleunigt werden. Weitere wichtige Meilensteine wie die Reform des Justizapparates und der Insolvenzordnung sollen bis Jahresende auf den Weg gebracht werden. Die Maßnahmen dürften die Effizienz der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft steigern und damit das im globalen Vergleich sehr niedrige Wachstumspotenzial Italiens anschieben. Hiervon könnten meines Erachtens auch die vergleichsweise moderat bewerteten italienischen Aktien profitieren.

Türkische Zentralbank senkt Leitzins

Der seit März amtierende Notenbank-Gouverneur der Türkei, Şahap Kavcıoğlu, hatte lange versprochen, dass der Leitzins über der Inflationsrate bleiben werde. Trotz einer Inflationsrate von aktuell 19,25 Prozent senkten die Währungshüter diesen gestern jedoch von 19 auf 18 Prozent. Als Begründung des Zinsschrittes ließen die Notenbanker verlauten, dass sie sich zukünftig auf die Kerninflationsrate fokussieren würden, welche die Veränderungen der Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigt. Diese ist im August tatsächlich von 17,2 auf 16,8 Prozent gesunken. Konjunkturdaten deuteten außerdem einen recht schwachen Start der türkischen Wirtschaft im dritten Quartal an. Gouverneur Kavcıoğlu dürfte auch das Schicksal seines Vorgängers vor Augen gehabt haben, der wegen seiner Weigerung, die Zinsen zu senken, entlassen wurde. Problematisch könnte für die Türkei nun der Verlust der Glaubwürdigkeit der Zentralbank werden.
Die Märkte werden nun weitere, möglicherweise aggressivere Zinssenkungen für die nächsten Monate einpreisen, was die Türkische Lira unter Druck setzen dürfte. Diese verlor unmittelbar nach der Zinssenkung ebenso wie der Leitindex ISE 100 mehr als ein Prozent an Wert.