Ökonomen haben die Entwicklung der US-Wirtschaft in den vergangenen Monaten besser eingeschätzt als tatsächlich eingetreten, die Verbraucherpreise Spaniens steigen gegenüber dem Vorjahr so stark wie seit 2012 nicht mehr, und die wirtschaftliche Erholung asiatischer Schwellenländer gerät ins Stocken.
Überraschungspotenzial in den USA
Ökonomen haben die Entwicklung der US-Wirtschaft in den vergangenen Monaten besser eingeschätzt als tatsächlich eingetreten (Citigroup Surprise Index bei minus 45). Zurückzuführen ist dies unter anderem auf die wachstumshemmenden Effekte der Delta-Variante des Coronavirus, auf eine relativ unebene Erholung des US-Arbeitsmarkts sowie auf Lieferengpässe. Historisch folgte auf ein Tief des Surprise-Index jedoch häufig eine rasche Erholung. Und auch jetzt deuten einige Faktoren darauf hin, dass die Meinung der Ökonomen von zu optimistisch auf zu pessimistisch übergeschlagen haben könnte. China – als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft – hat die Ausbreitung des Virus wieder eingedämmt und die Impfquoten der USA sowie wichtiger Handelspartner steigen stetig. Entsprechend könnten die Wirtschaftsdaten zum Jahresende positiv überraschen und damit die Wahrscheinlichkeit früherer Leitzinserhöhungen erhöhen. Aktuell preist der Markt bis Mitte 2024 einen Zinsanstieg von etwas mehr als einem Prozentpunkt ein. Mit Spannung wird vor diesem Hintergrund auch die Sitzung des geldpolitischen Rates der Fed am 22. September erwartet, bei der die US-Notenbank erstmals Zinsprognosen für 2024 erstellt. Aktien US-amerikanischer Banken und Versicherer könnten von den dann erwartungsgemäß steigenden Kapitalmarktzinsen profitieren.
Spanien bremst Strompreise
Spaniens Verbraucherpreise sind im August mit 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr so stark gestiegen wie seit Oktober 2012 nicht mehr. Neben rund 20 Prozent höheren Kraftstoffpreisen haben unter anderem auch 35 Prozent teurere Stromrechnungen die Inflation getrieben. Als Reaktion auf den wachsenden Unmut in der Bevölkerung hat die spanische Regierung in der vergangenen Woche per Sofortdekret ein Maßnahmenpaket zur Senkung des Strompreises für Endverbraucher verabschiedet. Teil des Pakets ist die Rückforderung vereinnahmter Erlöse aus Stromverkäufen von etwa 2,5 Milliarden Euro, die vor allem die landesweit größten Erzeuger von Atom- und Wasserenergie belasten dürfte. Die Aktienkurse der betroffenen Versorgungsunternehmen gaben infolgedessen im Schnitt um acht Prozent nach. Noch scheint nicht sicher, ob das für März 2022 in Aussicht gestellte Ende der Marktregulierung eingehalten wird. Die bisherigen Kursrückgänge der „traditionellen“ Versorger könnten sich daher in den kommenden Monaten fortsetzen. Wind- und Solarparkunternehmen sowie deren Anlagenbauer könnten dagegen vom Infrastrukturprogramm NextGenerationEU profitieren.
Outperformance japanischer Aktien könnte anhalten
Der japanische TOPIX hat seit Premier Yoshihide Sugas Verzicht auf eine Kandidatur für den Vorsitz der Liberaldemokratischen Partei vor zwei Wochen rund fünf Prozent zugelegt und damit die westlichen Leitindizes deutlich geschlagen. Vor allem Zykliker wie Schifffahrts-, Energie-, Grundstoff- und Industrieunternehmen trugen zur Kursentwicklung bei.
Die Chance, dass die Outperformance anhält, steht gut. Beinahe 80 Prozent aller Erwachsenen sind mindestens einmal geimpft; entsprechend könnte der Notstand zum 30. September auslaufen und somit zur Belebung des Binnenmarktes beitragen. Rund 60 Prozent ihrer Umsätze erwirtschaften japanische Konzerne nämlich im Inland. Des Weiteren sind japanische Titel in den Portfolios internationaler Investmentfonds unterrepräsentiert. Seit Jahren anziehende Margen sowie die Summe der jüngst positiven Signale könnten diesen Trend umkehren, die Beliebtheit des Aktienmarktes steigern und in höheren Bewertungsprämien resultieren. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 16 auf Basis der erwarteten Gewinne in den kommenden zwölf Monaten ist der Aktienmarkt Japans nach wie vor relativ günstig bewertet.
Asien: Erholung gerät ins Stocken
Die Schwellenländer Asiens konnten dank strenger Maßnahmen die Pandemie in der ersten Coronavirus-Welle noch schnell eindämmen. Zuletzt entfiel rund die Hälfte der weltweiten Neuinfektionen auf die Region. In der Folge ist die wirtschaftliche Erholung ins Stocken geraten: In Asien sind die Einkaufsmanagerindizes im Sommer stärker gefallen als in Europa oder in den USA und befinden sich vielerorts unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Das könnte sich aber bald ändern: Vor allem Staaten mit einer hohen Impfquote wie Singapur, Malaysia und Südkorea haben bereits begonnen, Beschränkungen zurückfahren, oder stehen kurz davor. Auch in Asien wechseln viele Regierungen zunehmend auf eine Strategie der punktuellen Pandemiebekämpfung anstelle einer No-Covid-Strategie mit harten Lockdowns und massiven negativen Folgen für die Wirtschaft. Ich sehe daher eine gute Chance, dass sich die konjunkturelle Erholung in den asiatischen Schwellenländern bald fortsetzen wird. Dies sollte die stark zyklisch ausgerichteten Aktienmärkte in der Region stützen, sodass sie den Performance-Rückstand gegenüber dem globalen Markt von gut 16 Prozentpunkten in diesem Jahr etwas abbauen könnten.
