Die Unternehmen des MSCI Europe erholen sich merklich, der US-Stromsektor soll ab 2035 keine Treibhausgase mehr ausstoßen, und die russische Notenbank dreht weiter an der Zinsschraube.

Europa: Gewinnschätzungen zu pessimistisch

Die Unternehmen des MSCI Europe konnten sich 2021 merklich erholen, nachdem ihre Gewinne im vergangenen Jahr um mehr als 25 Prozent eingebrochen waren. Analysten rechnen inzwischen mit einem Gewinnplus von mehr als 50 Prozent; für das kommende Jahr erwarten sie indes nur einen Zuwachs von sieben Prozent. Dies erscheint mir zu pessimistisch. Schließlich sollte die Wirtschaft global sowie im Euroraum um circa 4,5 Prozent wachsen, was insbesondere zyklischen Sektoren wie Energie, Bau, Grundstoffe sowie Transport zugutekommen dürfte. Entsprechend halte ich ein niedriges bis mittleres zweistelliges Gewinnwachstum für realistisch. Positive Prognoseanpassungen der Analysten könnten vor diesem Hintergrund in den kommenden Monaten die Kurse stützen. Dies sollte dem Gesamtmarkt eine einstellige Performance im Jahr 2022 ermöglichen.

Solaroffensive in den USA

Die Pläne der US-Regierung sehen vor, dass der Stromsektor ab 2035 keine Treibhausgase mehr ausstoßen soll. Welchen Beitrag die Solarstromerzeugung dazu leisten kann, hat das Energieministerium nun untersucht. Es kommt zu dem Schluss, dass Solar 2035 rund 40 Prozent des benötigten Stroms liefern könnte. Hierzu müsste sich die Ausbaugeschwindigkeit jedoch vom bisherigen Rekordniveau von 15 Gigawatt aus 2020 bis 2030 vervierfachen. Erste Mittel für das Mammutprojekt sollen mit dem 1,2 Billionen US-Dollar schweren Infrastrukturpaket bereitgestellt werden, das allerdings noch vom Kongress gebilligt werden muss. Profiteure der Solaroffensive dürften unter anderem chinesische Produzenten von Photovoltaikanlagen sein, deren globaler Marktanteil bei 80 Prozent liegt. Große Aufträge dürften zudem Infrastrukturunternehmen weltweit erhalten, die die Modernisierung und den Ausbau des Stromnetzes übernehmen. Dieses besteht aus 2,7 Millionen Meilen Stromleitung und muss um Tausende Kilometer wachsen, damit weit entfernte Solarparks angeschlossen werden können. Zudem muss das Netz um eine enorme Zahl an Pump- und Batteriespeichern ergänzt werden. Aktien von Unternehmen dieser Branche halte ich vor diesem Hintergrund für interessant.

Platinproduzenten profitieren von Rhodium

Die Platinpreise notieren zwar rund neun Prozent unter dem Niveau zu Jahresbeginn. Dennoch dürfte die Laune vor allem bei den Platinproduzenten Südafrikas – die für 70 Prozent des weltweiten Platinabbaus stehen – hervorragend sein. Als Beiprodukt des Abbaus fällt nämlich häufig Rhodium an – ein sehr seltenes Metall, dessen Effizienz bei der Drosselung des Stickoxidausstoßes von Kraftfahrzeugen unübertroffen ist. Dessen Preis schoss im ersten Quartal von gut 17.000 US-Dollar je Feinunze bis auf 29.800 US-Dollar empor.
 
Der weltgrößte Platinförderer verdiente deshalb im ersten Halbjahr mehr an dem Verkauf von Rhodium als am Verkauf von Platin und Palladium zusammen. Für die Mutterfirma lieferte Rhodium einen höheren Ergebnisbeitrag als die bedeutsamen Kupferproduktionen in Chile und in Peru. Mittlerweile sind die Notierungen für Rhodium wieder auf das Jahresanfangsniveau zurückgefallen, liegen aber zur Freude der Produzenten damit immer noch 600 Prozent über dem Niveau von vor drei Jahren. Wegen der starken Preisschwankungen des nicht börsengehandelten Metalls sollten sich auch sehr risikofreudige Naturen Investments in die Titel der Produzenten eher gut überlegen.

Russische Notenbank tritt auf die Bremse

Die russische Notenbank drehte am Freitag weiter an der Zinsschraube, obwohl der Leitzins in kaum einem anderen Land in diesem Jahr ähnlich stark erhöht wurde. Mit einem Viertel Prozentpunkt – auf 6,75 Prozent – fiel der Schritt allerdings etwas kleiner aus, als erwartet worden war. Dafür zeigen sich die Währungshüter angesichts einer Inflationsrate von 6,7 Prozent zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik bereit. Die Wirtschaft in Russland sollte die höheren Zinsen verkraften. Das Land profitiert in starkem Maße von steigenden Öl- und Gaspreisen sowie von einer Ausweitung der Ölproduktion im Rahmen der jüngsten OPEC+-Beschlüsse. Die Märkte honorieren die konsequente Inflationsbekämpfung durch die Notenbank; der Russische Rubel erreichte nach dem Zinsentscheid einen Jahreshöchststand gegenüber dem Euro. Fällt die Inflation wie von der Notenbank erwartet 2022 in Richtung des Zielwertes von vier Prozent, könnten die Leitzinsen und die Anleiherenditen wieder sinken. Ich halte russische Staatsanleihen vor diesem Hintergrund für einen Blick wert, wobei Anleger auch Währungsrisiken beachten müssen. Neben einer hohen laufenden Verzinsung von aktuell rund sieben Prozent winken Kursgewinne, wenn das Renditeniveau zurückgeht.