Die Unternehmenslandschaft in Europa verändert sich merklich, Aktien britischer Wohnbauunternehmen notieren unter ihren Vor-Coronavirus-Höchstständen, und die Silberpreise erreichen Jahrestiefststände.

EURO STOXX 50: Substanzwerte unterrepräsentiert

Die europäische Unternehmenslandschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten merklich verändert. Gerade Telekommunikations-, Finanz- und Energieunternehmen haben an Größe eingebüßt. Im Jahr 2000 standen etwa Telekommunikationskonzerne und Banken noch für jeweils gut 17 Prozent des EURO STOXX 50 – mittlerweile sind es nur noch zwei Prozent beziehungsweise sieben Prozent. Gleichzeitig gewannen Unternehmen der Sektoren Konsum und Luxus, Industrie sowie Technologie signifikant an Bedeutung. Ihr Indexgewicht stieg von jeweils rund vier Prozent auf zweistellige Werte. Mit einem Anteil von 16,7 Prozent bilden Technologiekonzerne inzwischen sogar den größten Sektor. Diese Entwicklung hat nicht zuletzt dazu geführt, dass Substanzwerte – die sich durch eine niedrige Bewertung auszeichnen – im Index mittlerweile unterrepräsentiert sind. Substanzwert-Anleger sollten in Europa deshalb eher auf marktbreite Indizes wie den MSCI Europe oder STOXX 600 setzen.

Großbritannien: Rückkehr von Wohnbau-Aktien wahrscheinlich

Aktien britischer Wohnbauunternehmen rangieren immer noch mehr als 15 Prozent unter ihren Vor-Coronavirus-Höchstständen. Ich glaube jedoch an eine Rückkehr zu früheren Kursniveaus. Schließlich herrscht auch im Vereinigten Königreich eine hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien, die auch nach dem jüngsten Auslaufen von Steuervergünstigungen anhalten sollte. 2021 könnten Schätzungen zufolge 50 Prozent mehr Objekte den Besitzer wechseln als vergangenes Jahr. Gleichzeitig ist das Angebot begrenzt. Experten rechnen 2021 mit rund 70.000 Fertigstellungen – circa acht Prozent weniger als 2019 – und damit, dass das Vorkrisenniveau erst 2023 erreicht werden dürfte. Dies hat zu einem spürbaren Anstieg der Immobilienpreise geführt. Im Juli lag der durchschnittliche Preis 10,5 Prozent höher als im Vorjahr. Wohnbauunternehmen dürften in diesem Umfeld trotz hoher Preise für Baumaterialien steigende Margen und Gewinne verzeichnen. Interessant machen Branchentitel zudem ihre günstige Bewertung. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis für die erwarteten Gewinne der kommenden zwölf Monate liegt bei neun und damit leicht unter dem langfristigen Durchschnitt.

Edelmetalle: Silberpreise schwächeln

Der August verlief für die Silberpreise bislang recht enttäuschend. Kürzlich fiel das weiße Metall auf Jahrestiefststände.
Auch im Verhältnis zu Gold wurde Silber Ende vergangener Woche so preiswert gehandelt wie seit Dezember 2020 nicht mehr. Gegenwind kam zum einen von den Terminmärkten: An der New Yorker Terminbörse sind die Kauf-Positionen spekulativ orientierter Anleger mit 49 Millionen Feinunzen auf das niedrigste Niveau seit zwei Jahren gesunken. Zum anderen wurde Silber zu industriellen Zwecken infolge von pandemiebedingten Produktionsunterbrechungen und wegen Störungen in den Lieferketten schwächer nachgefragt. Mittelfristig sollte sich dies ändern. Analysten schätzen, dass die Nachfrage der Autoindustrie dank zunehmender Elektromobilität von 61 Millionen Feinunzen 2021 auf jährlich rund 90 Millionen Feinunzen 2025 klettern dürfte. Auch die weiterhin zunehmende Nachfrage für Fotovoltaik-Zwecke sollte die Silberpreise stützen. Ähnlich wie bei Gold besteht allerdings das Risiko, dass steigende Realzinsen auf der Investment-Nachfrage lasten könnten.

Geldpolitik: Südkorea zieht die Zins-Zügel an

Die südkoreanische Notenbank hat gestern die Leitzinsen um einen viertel Prozentpunkt auf 0,75 Prozent erhöht, obwohl die wirtschaftliche Unsicherheit infolge Rekord hoher Neuinfektionen gestiegen ist. Der Schritt dürfte vor allem auf die Sicherung der Finanzstabilität zielen: Im Vorjahresvergleich sind die Hauspreise zuletzt um mehr als 14 Prozent und die Schulden der privaten Haushalte um gut zehn Prozent gestiegen. Die neue Pandemiewelle wird den konjunkturellen Aufschwung kaum gefährden. Bis Ende September sollten 70 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sein, sodass die Corona-Beschränkungen schon bald wieder gelockert werden könnten. Aktuelle Konjunkturindikatoren signalisieren ein kräftiges Wirtschaftswachstum von gut vier Prozent in diesem Jahr. Da sich die Inflation mit 2,6 Prozent bereits oberhalb des Zielwertes der Notenbank befindet, dürfte der gestrige Zinsschritt wohl nicht der letzte gewesen sein. Ich bewerte die geldpolitische Straffung in Südkorea als positiv: Während die Risiken für die Finanz- und Preisniveaustabilität zurückgehen, sollten sich die Belastungen für den Aktienmarkt dank der günstigen konjunkturellen Rahmenbedingungen in Grenzen halten.