Schwellenländeraktien erhalten Gegenwind, chinesische Regulierungsbehörden erhöhen den Druck auf dortige Tech-Firmen, und Airlines modernisieren Teile ihrer Flotten.
US-Geldpolitik und Delta-Variante belasten Schwellenländer
Aktienmärkte und Währungskurse vieler Schwellenländer gerieten in dieser Woche unter Druck, sodass die entsprechenden Indizes von MSCI unter das Niveau vom Jahresbeginn zurückfielen.
Die zunehmende Verbreitung der Delta-Variante des Covid-19-Virus trifft weiterhin viele Länder mit anhaltenden Einschränkungen. Rohstoffexporteure leiden darunter, dass die Preise für Öl, für Eisenerz und für einige Industriemetalle unter Druck geraten sind. Und das am Mittwochabend veröffentlichte Protokoll der Juli-Sitzung der US-Notenbank deutet auf ein näher rückendes Ende der extrem lockeren Geldpolitik hin, woraufhin der US-Dollar auf das höchste Niveau seit neun Monaten anstieg. Die Kursverluste fielen besonders stark für den Südafrikanischen Rand aus; hier ist der Leitzins relativ niedrig. Zudem hatten schon am Dienstag Investoren Aktien im Gegenwert von 1,55 Milliarden Euro an der Johannesburger Börse verkauft – so viel wie niemals zuvor seit Beginn der Datenreihe 1997. Südafrika und einigen anderen Schwellenländern könnte erst einmal eine weiterhin raue Phase bevorstehen, weshalb ein Engagement eher selektiv erfolgen sollte.
China: Regulierungen drücken Tech-Aktien
Der Ausverkauf an den Aktienmärkten von chinesischen Technologie-Riesen hat gestern dem Hongkonger Hang Seng Index – in dem die großen Internet-Unternehmen Chinas gelistet sind – ein Minus von mehr als zwei Prozent beschert, im Jahresverlauf sind es in Euro sogar knapp zehn Prozent. Seit Monaten geraten immer wieder private Plattform-Unternehmen in den Fokus chinesischer Regulierungsbehörden. Jüngstes Beispiel sind Anbieter von Computer- und Smartphone-Spielen. Die Unsicherheit unter den Anlegern ist momentan groß und entsprechend stark sind die Kursreaktionen auf bisher noch nicht eingepreiste Neuigkeiten. Daran wird sich kurzfristig wenig ändern. Mit Blick nach vorn dürfte Chinas Führung allerdings auf die Dynamik und Innovationskraft der privaten „New Economy“ nicht verzichten wollen. Zu groß ist die Rolle, die diese bei der Entwicklung des für ein stetiges Wirtschaftswachstum wichtigen Binnenmarktes mit seinen knapp 1,4 Milliarden Konsumenten spielen. Es könnte sich daher lohnen, den Hang Seng Index im Auge zu behalten, auch wenn die Risiken noch einige Zeit überwiegen werden.
Europäische Flugzeugbauer erhalten Auftrieb
Nachlassende Reisebeschränkungen und zunehmender Flugverkehr beflügeln die europäischen Flugzeugbauer und ihre Zulieferer. Auch unter Pandemiebedingungen sorgten gesetzliche Vorgaben zur Flottenwartung dafür, dass ihnen nicht alle Einnahmen wegbrachen. Einige Firmen haben zudem ihre Strukturen verschlankt und Unternehmensteile verkauft. Darüber hinaus erneuern und modernisieren Airlines wegen verschärfter Klimaziele einen Teil ihrer Flotten. Flugzeugbestellungen haben zuletzt unter anderem die großen US-Airlines bekannt gegeben. In der laufenden Berichtssaison konnten daher einige Flugzeugbauer bereits die Gewinnerwartungen der Analysten übertreffen und haben Aktienrückkäufe angekündigt. Die Aktien der Industriegruppe haben jedoch noch Nachholbedarf und liegen seit Jahresbeginn mit einem Plus von 14 Prozent etwa sieben Prozentpunkte hinter dem europäischen Gesamtmarkt zurück. Gegenwind könnte kurzfristig durch eine weitere Ausbreitung von Neuinfektionen und damit verbundene Sorgen um Belastungen für die Luftfahrt entstehen.
Europa: Gewinne stärken Finanzkraft der Unternehmen
Das starke Gewinnwachstum der vergangenen Monate hat die Finanzkraft vieler europäischer Unternehmen gestärkt und den Anteil sogenannter „Zombie-Unternehmen“ seit Jahresbeginn stetig reduziert. Der an der Marktkapitalisierung des breiten europäischen Aktienmarkts gemessene Anteil von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, die in drei aufeinander folgenden Jahren ihre Zinsaufwendungen nicht aus ihrem Betriebsergebnis decken konnten, ging von 14,4 Prozent Ende 2020 auf 8,7 Prozent Ende Juni zurück. Als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie hatten unter anderem direkte staatliche Unterstützungen und die Aufrechterhaltung günstiger Kreditbedingungen eine Insolvenzwelle ansonsten lebensfähiger und produktiver Unternehmen in Europa zwar verhindert, aber auch die Zahl von „Zombie-Unternehmen“ sprunghaft ansteigen lassen. Nimmt die Zahl Letzterer in den kommenden Monaten weiter ab, sollte dies die Stabilität der europäischen Finanzmärkte auch im internationalen Vergleich stärken – mit zusätzlichem Kurspotenzial für europäische Aktien.
