Überraschungen kann es im dünnen Sommerhandel immer geben.

Das gestern Abend veröffentlichte Protokoll zur Juli-Sitzung der US-Notenbank hatte es tatsächlich in sich. Im Gegensatz zur Erwartung der meisten Analysten hält es die Mehrheit der Mitglieder im Offenmarktausschuss FOMC für sinnvoll, die laufenden Anleiheankäufe noch in diesem Jahr zu reduzieren („taper“). Die Fed zeigt sich augenscheinlich auch von zuletzt robusten US-Arbeitsmarktdaten überzeugt. Nach zunächst besonnener Reaktion sackte der US-Aktienmarkt in den letzten 90 Handelsminuten deutlich ab und gab gut ein Prozent nach. Die nächsten Wochen werden die US-Währungshüter Stellung nehmen müssen, beispielsweise beim Treffen der Notenbanken in Jackson Hole ab kommendem Donnerstag. Stärkere Marktschwankungen sind in diesem Umfeld nicht auszuschließen.

Weiteres Potenzial für den STOXX 600

Seit Ende März ist der STOXX 600 dank der schwungvollen wirtschaftlichen Erholung Europas um beinahe zwölf Prozent gestiegen. Lauscht man den Stimmen der Pessimisten, sei damit wegen einer Verlangsamung der globalen Wachstumsdynamik das Aufwärtspotenzial bereits ausgeschöpft. Obwohl es Corona-bedingt zu Rücksetzern kommen kann, bin ich bezüglich der weiteren Entwicklung des europäischen Aktienmarktes deutlich positiver gestimmt. Angeführt vom Rohstoffsektor verzeichnete im Laufe des Jahres keine andere Region der Welt eine stärkere Margenerholung. Zusätzlich sind 92 Prozent der Unternehmen dank ihrer starken Preissetzungsmacht in der Lage, die erzielten Gewinnspannen zu bewahren und steigende Kosten weiterzugeben. Entsprechend steht das erwartete Gewinnwachstum des STOXX 600 dem des S&P 500 in keiner Weise nach. Mit einem für 2021 erwarteten durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17,7 ist der europäische Index allerdings deutlich günstiger bewertet als der US-amerikanische mit 22,7.

Verbesserte Lage für europäische Edelstahlwerke

Europäische Edelstahlimporte bewegen sich trotz robuster Nachfrage unterhalb der Höchststände. Ein geringerer Ausstoß in der chinesischen Stahlindustrie hat ebenso wie steigende Frachtkosten und EU-Importzölle dazu beigetragen. China hat vergangene Woche noch weitere Beschränkungen für die heimische Stahlproduktion im kommenden Winter beschlossen, um die Luftqualität zu verbessern. Die gedrosselte Produktion in China hat bereits zu einem Preisverfall bei Eisenerz von knapp 30 Prozent seit Mitte Juli geführt.
 
Darüber hinaus steht die Einführung einer chinesischen Exportsteuer in Höhe von 15 bis 20 Prozent auf einige Stahlsorten zur Diskussion, um den heimischen Bedarf decken zu können. Eine Zunahme der EU-Importe ist daher in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Europäische Edelstahlwerke können angesichts gestiegener Margen davon profitieren.

„Zero Covid“ in Neuseeland

Viele Notenbanken wie insbesondere die Fed in den USA sind bemüht, geldpolitische Schritte mit einem langen Vorlauf verbal anzukündigen. Das Covid-19-Virus zwang Neuseelands Währungshüter nun dagegen zu einem äußerst kurzfristigen Umdenken. Nach eindeutigen Hinweisen der Reserve Bank of New Zealand hatten die Marktakteure für die gestrige Sitzung eine Zinsanhebung von 0,25 Prozentpunkten eingepreist. Knapp 24 Stunden vor der Sitzung sorgte dann ein einziger Covid-19-Fall für einen strikten Lockdown in der Metropole Auckland. Infolgedessen gab der Neuseeländische Dollar deutlich nach, die Renditen der Staatsanleihen mit zwei- und zehnjähriger Laufzeit sanken jeweils um 0,1 Prozentpunkte und die Währungshüter verzichteten auf den Zinsschritt. Wegen des knappen Angebots an Arbeitskräften erwarten sie jedoch steigende Löhne und zunehmenden Preisdruck, weshalb sie weiterhin planen, die Leitzinsen bis Mitte 2023 von aktuell 0,25 auf zwei Prozent anzuheben. Höhere Renditen und ein deshalb möglicherweise aufwertender Neuseeländischer Dollar könnten dann zwar Anlagen dort attraktiver machen. Ähnlich wie in Australien besteht aber erst einmal das Risiko wochen- bis monatelanger Lockdowns, weshalb ich mit Engagements momentan noch zurückhaltend wäre.

Berichtssaison Brasilien: Unternehmen überzeugen im zweiten Quartal

Die börsennotierten Unternehmen Brasiliens legten in der laufenden Berichtssaison bisher insgesamt überzeugende Zahlen vor – allerdings begünstigt durch teilweise sehr niedrige Vorjahresniveaus. Immerhin übertrafen knapp 60 Prozent der Unternehmen die Gewinnerwartungen. Der Einzelhandel, Shopping-Malls sowie Zahlungsdienstleister profitierten von den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen im zweiten Quartal und präsentierten im Vorjahresvergleich teilweise dreistellige Umsatzzuwächse. Die durch die globale wirtschaftliche Erholung gestiegene Nachfrage spülte Erdölexporteuren und Minenbetreibern Gewinnzuwächse von mehr als 2.000 Prozent in die Bilanzen. Die seit Monaten steigende Inflation dürfte jedoch noch in diesem Jahr weitere Zinsanhebungen der Notenbank nach sich ziehen. Dies würde die ohnehin geringe Investitionstätigkeit brasilianischer Unternehmen zusätzlich hemmen und ihr Wachstum limitieren. Entsprechend werden für 2022 stagnierende, für 2023 sogar rückläufige Gewinne erwartet. Keine guten Aussichten für die Börse Brasiliens.