Für China-Anleger sind jetzt die Festlandbörsen interessant, ein Inselstaat profitiert von hohen Impfquoten, und Öl dürfte wohl teuer bleiben.
China: A-Aktien bevorzugt
Mit der Senkung der Mindestreservesätze am gestrigen Donnerstag verfügen Chinas Banken über rund 154 Milliarden US-Dollar zusätzliche Liquidität. Davon dürften rund 62 Milliarden direkt der Finanzierung von Unternehmen zugutekommen, deren Aktien an den Börsen von Schanghai und Shenzhen gelistet sind. Historisch haben sich die Kurse dieser sogenannten A-Aktien nach ähnlichen Notenbankbeschlüssen in den folgenden sechs Monaten im Schnitt um sieben Prozent besser entwickelt als Aktien in Hongkong gelisteter Unternehmen (H-Aktien). Auch wenn die Vergangenheit keine Garantie für zukünftige Entwicklungen darstellt, dürfte beispielsweise der CSI 300 als A-Aktien-Index in den kommenden Monaten stärker von fiskalischen und geldpolitischen Impulsen Pekings profitieren als zum Beispiel der Hang Seng, ein reiner H-Aktien-Index. Unabhängig davon könnte anhaltender regulatorischer Druck auf Chinas Internet-Unternehmen die H-Aktien-Indizes zusätzlich belasten, da Internet-Firmen mehr als 30 Prozent ihrer Marktkapitalisierung ausmachen. Daher sollten Anleger derzeit A-Aktien gegenüber H-Aktien bevorzugen.
Singapur meldet sich zurück
Die Fünf-Jahres-Performance von Singapurs Aktienleitindex STI beträgt in Euro rund 20 Prozent, wovon allein 13 Prozentpunkte auf 2021 entfallen. Damit schlägt die Börse des kleinen Inselstaates seine Nachbarmärkte aus Malaysia und Indonesien seit Jahresbeginn um knapp 19 bzw. um zehn Prozentpunkte. Nach einem verhaltenen Wachstum im ersten Quartal von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr meldete sich die Wirtschaft Singapurs im zweiten Quartal mit einem Plus von 14,3 Prozent schwungvoll zurück. Das stärkste Quartalswachstum seit 2010 ist Folge einer konsequenten Impfstrategie des Landes, in dem mittlerweile 40 Prozent der Erwachsenen zweimal geimpft sind. Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2021 ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent. Davon dürfte neben der Verarbeitenden Industrie vor allem der Finanzsektor profitieren, der mit rund 40 Prozent Gewicht auch die drei größten Einzeltitel des STI stellt. Zudem ist der Nischenmarkt Singapur, dessen Marktkapitalisierung immerhin rund ein Drittel des DAX ausmacht, etwas günstiger bewertet als die meisten asiatischen Börsen: Für die kommenden zwölf Monate werden ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 14 und ein Gewinnwachstum von rund 24 Prozent erwartet.
Reise- und Freizeitaktien – wohin geht die Reise?
Einer der bekanntesten „Re-Opening Trades“ (Aktien, die von einer Wiederöffnung der Volkswirtschaften profitieren) ist die Branche Reisen und Freizeit. Allerdings steht der Sektor am europäischen Aktienmarkt seit etwa fünf Wochen unter Druck. Hintergrund ist die Delta-Variante des Coronavirus, die in beliebten europäischen Reisezielen wie Spanien und Portugal ihr Unwesen treibt. Neben den primären Herausforderungen für die Gesundheitssysteme lasten die hohen Inzidenzen von 300 bzw. 200 auch auf der Anlegerstimmung.
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Verfestigt sich das Muster, dass hohe Impfquoten die Anzahl schwerer Krankheitsverläufe deutlich verringern, sollte die Situation aber zu managen sein. Spanien hat inzwischen eine vollständige Impfquote von 48 Prozent und Portugal von 44 Prozent im Vergleich zu Deutschland mit 45 Prozent. Nach den Enttäuschungen der letzten Monate bei Reisemöglichkeiten und -risiken inklusive einiger Kapitalerhöhungen haben Analysten die 2022er Gewinnschätzungen für den Reise- und Freizeitsektor bereits um zehn Prozent nach unten korrigiert: eine deutlich verringerte Hürde für die eine oder andere positive Überraschung.
OPEC+ findet Förderkompromiss
Agenturmeldungen zufolge haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihren Streit über die Ölförderquoten beigelegt. Die Einigung sieht ab April 2022 die Anhebung der Grundfördermenge der Emirate von aktuell 3,2 auf dann 3,65 Millionen Barrel pro Tag vor. Abu Dhabi hatte ursprünglich 3,8 Millionen Barrel gefordert und sich gegen die von Riad angestrebte Verlängerung der Förderbremse bis Ende 2022 gestellt. Auf dem nächsten, bis dato noch nicht terminierten OPEC+-Treffen könnte darüber entschieden werden, ob und ab wann die zuvor vorgeschlagene stufenweise Anhebung der OPEC+-Tagesproduktion um monatlich 0,4 Millionen Barrel umgesetzt wird. Das momentane Angebotsdefizit von zwei Millionen Barrel pro Tag könnte dadurch zwar innerhalb von fünf Monaten geschlossen werden. Die fortschreitende Erholung der Weltwirtschaft dürfte jedoch die Ölnachfrage zusätzlich anregen und die mögliche Angebotsausweitung über kompensieren. Trotz der Preiskorrektur nach dieser Meldung, die zum Teil auch durch überraschend gestiegene Lagerbestände in den USA ausgelöst worden sein dürfte, sehe ich keine Trendwende, sondern gehe für die kommenden Monate von einem anhaltend hohen Ölpreisniveau aus. Dies auch, weil nun ein Auseinanderbrechen der OPEC+ mit einer darauf folgenden unlimitierten, preis belastenden Förderung wie zuletzt Anfang 2020 gebannt zu sein scheint.
